Wie aus Kindern im Handumdrehen Künstler/-innen und Kulturschaffende werden.

Gerne möchte ich dem Konzept des partizipativen „open-peer-review“-Verfahren der zkmb nachkommen und den Beitrag von Maria Acaso „From Art and Education to artEducation: Die Bildungsrevolution erreicht die Kunstpädagogik“ kommentieren. Hierzu werde ich vornehmlich ihre Ausführungen zum ersten Vermittlungsprojekt, das sie als Referenzbeispiel ihres Vermittlungsverständnisses versteht, einer Revision unterziehen und zunächst auf ihre Beschreibungen und Ausdeutungen der Vermittlungssituation mit der finnischen Künstlerin Essi Kausalainen als Artist in Residence in einem spanischen Kunstmuseum eingehen. Hieraus werde ich weitere Fragen ableiten und den Beitrag in den Kontext eines in Deutschland geführten Diskurses um Kunstvermittlung mit Schülerinnen und Schülern stellen. Obwohl dieses Vermittlungsbeispiel nur eines von vier weiteren in Acasos Text ist, scheint es mir, auch für die anderen von ihr vorgestellten Vermittlungssituationen und die hier auftretenden Probleme, symptomatisch.

Worum geht es in diesem exponierten ersten Beispiel? Geschildert werden von Maria Acaso Situationen der zweitägigen Interaktion einer 5. Klasse mit der finnischen Künstlerin Essi Kausalainen, die einerseits im schulischen andererseits im musealen Ausstellungskontext stattfinden.[1] Die Künstlerin besucht zunächst am ersten Tag die Schülerinnen und Schüler in ihrer Schule. Am zweiten Tag empfängt sie diese dann am Lernort Kunstmuseum, der als „Arbeitsplatz in Halle 16“ ausgewiesen wird.

Am ersten Tag in der Schule wird den Kindern zunächst „Grundlegendes über Performance-Art erzählt“. Dabei „erklärt“ die Performerin die in den künstlerischen Arbeiten enthaltenen „Bedeutungsebenen“ und macht auf die „thematisierten Inhalte“ und auf „möglicherweise entstehende Erfahrungen“ „aufmerksam“. In diesem Zusammenhang „stellt“ die Performancekünstlerin ihre letzten Arbeiten „vor“, die sich mit Kommunikation zwischen Pflanzen beschäftigen. Anschließend lädt sie die „zukünftigen Performer/-innen“ ein, in der Gruppe über die Frage nachzudenken, „welche Dinge Leben erst möglich machen“. Nachdem sie die Antworten „sorgfältig notiert“ hat, gibt sie den „jungen Künstler/-innen“ noch eine Hausaufgabe auf, die darin besteht, sich vor ihrem Besuch im Zentrum für zeitgenössische Kultur Matadero Madrid in einem „kleinen Aufsatz“ mit der „Bedeutung von Landschaft“ zu befassen.

Am zweiten Tag treffen die Schülerinnen und Schüler die Künstlerin in Halle 16 wieder. Nachdem sie den Kindern die Spielregeln „erklärt“, die u.a. darauf hinauslaufen, „keine Arbeiten von anderen Künstler/-innen anzufassen“, bittet sie die Kinder zunächst darum, ihre „Teilhabe an diesem Projekt zu bestätigen“, indem sie – „wie Künstler/-innen“ – einen „Vertrag unterschreiben“. Nach dieser „Kontaktaufnahme“ verschwindet Essi für einen Moment, um kurze Zeit später wieder mit einem Gefäß voller Blumen zurückzukommen, die sie an die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler verteilt. Jedes Kind soll nun für sich eine Blume auswählen, die ihm am besten gefällt, und für diese einen „festen Ort an seinem Körper finden“. Die Autorin des Beitrags, Maria Acaso, kommentiert das von ihr geschilderte Geschehen wie folgt: „Auf diese Weise scheinen sie (die Kinder; Anm. J.K.) sowohl die Bedeutung der Blumen als auch die Bedeutung ihrer Körper zu transformieren, sie deuten ihre Körper mit Hilfe der Blumen um und werden Teil einer neuen Körperlandschaft.“

Nach dieser „gemeinsamen Aktion“ bittet die Performerin Essi die Kinder, sich in einen Kreis zu setzen, um „darüber zu reflektieren, was geschehen ist“ und „welche Erkenntnisse“ die Gruppe „mitnehmen“ kann. Die Kinder sollen beschreiben, woraus sich ihre „innere Landschaft“ „zusammengesetzt“ hat. Anschließend, so die Autorin Maria Acaso, rennen die Jungen und Mädchen erneut durch den Raum, treten durch die Tür ins Freie, überqueren den weitläufigen Innenhof und steigen wieder in den Bus, „gestärkt in ihrer Rolle als Kulturschaffende“ und mit einer „Menge offener Fragen im Gepäck“.

Ich versuche, noch einmal zusammenzufassen, was die Kinder einer fünften Klasse in diesem Vermittlungsprojekt hier im Einzelnen unternehmen.

Am ersten Tag in der Schule wird den Kindern zunächst „Grundlegendes über Performance-Art erzählt“. Die Schülerinnen und Schüler hören den Erzählungen der Künstlerin Essi zu. Offen bleibt, ob sie „grundlegende Beispiele über Performance-Art“ in ihren dokumentarischen filmischen bzw. bildlichen bzw. körperlichen Repräsentationen sehen. Sie nehmen die in den künstlerischen Arbeiten enthaltenen „Bedeutungsebenen“ in Erklärungen der Künstlerin entgegen, ebenfalls ihr Aufmerksammachen für darin „thematisierten Inhalte“ und hierauf „möglicherweise entstehende Erfahrungen“. Sie wohnen der Vorstellung aktueller Arbeiten, die sich mit der Kommunikation zwischen Pflanzen beschäftigen, bei. Anschließend sind die Schülerinnen und Schüler eingeladen, über die Frage nachzudenken, „welche Dinge Leben erst möglich machen“. Abschließend nehmen die Kinder eine Hausaufgabe entgegen, die in der Abfassung eines Aufsatzes besteht, in dem sie sich mit der „Bedeutung von Landschaft“ befassen sollen. Durch den Aufsatz sollen sich die Kinder offenbar für den Besuch im Zentrum für zeitgenössische Kultur Matadero Madrid sensibilisieren.

Angekommen in der Ausstellung am zweiten Tag des Vermittlungsprojekts, nehmen sie zunächst die Spielregeln der Institution, vermittelt durch die Künstlerin, entgegen. Sie dürfen nichts in der Ausstellung anfassen, sie dürfen zusehen, zuhören, dürfen den Vertrag (wie erwachsene „Künstler/-innen“) unterschreiben, dürfen eine Blume entgegennehmen, finden einen festen Ort am Körper, dürfen sich als „zukünftige Performer/-innen“ und als „junge Künstler/-innen“ bezeichnen lassen, dürfen beschreiben, dürfen einen Kreis bilden, dürfen „reflektieren“, dürfen „Erkenntnisse mitnehmen“, dürfen durch den Raum rennen, ins Freie treten, dürfen sich hierdurch stärken und zu „Kulturschaffenden“ „transformieren“ lassen.

Was nun unternimmt die Künstlerin? Am ersten Tag in der Schule (Adressatengruppe: 5. Klasse!): „Erzählt“ sie den Kindern „Grundlegendes über Performance“, „erklärt“ sie die „Bedeutungsebenen“ ihrer künstlerischen Arbeiten, macht auf „thematisierte Inhalte und mögliche Erfahrungen“ aufmerksam, stellt ihre letzten Arbeiten vor, stellt dann Schüler(n)/-innen eine Frage, „welche Dinge Leben erst ermöglichen“, gibt abschließend eine Hausaufgabe als „kleiner Aufsatz“ zur „Bedeutung der Landschaft“.

Das hier wiedergegebene Vermittlungssetting der Künstlerin in der Schule lässt eine Interaktionssituation deutlich werden, die von erheblicher Einseitigkeit geprägt ist und die aktiven Mitwirkungsmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler im klassischen Setting des Frontalbelehrens zur passiv-handlungsarmen Beteiligung bzw. Entgegennahme von Informationseinheiten reduziert.

Die Situation ist, so wie sie uns von Maria Acaso geschildert wird, weitgehend von einem Gefälle zwischen Wissen und Nicht-Wissen geprägt und einer falschen kognitionstheoretischen Annahme, dass das Wissensdefizit der Kinder durch einfache und abrupte Informationsübertragung bzw. Informationsaufnahme im Maßstab 1:1 auszugleichen wäre.[2] Den Schülerinnen und Schülern wird der Bedeutungskontext der Performance-Arbeiten „erklärt“. Diese müssen das „Herrschaftswissen“ zur Kenntnis nehmen, ohne eigene Deutungen an die Arbeiten herantragen zu können. So wird nicht klar, inwiefern die Performerin die entwicklungs- und lernpsychologischen Rahmenbedingungen ihrer Zielgruppe mitbedacht hat. Sie sind am ersten Tag in der Schule weitgehend kognitiv tätig, konsumieren die Informationen der Künstlerin, sind passiver Teil des Vermittlungsgeschehens. Es wird nicht deutlich, inwiefern die Thematik der schriftlichen Hausaufgabe konkrete Bezüge zum zuletzt von der Künstlerin eingebrachten Untersuchungsschwerpunkt aufweist. Die „Bedeutung der Landschaft“ ist ein sehr weitgestelltes Thema für eine fünfte Klasse, dessen kurz umrissene Thematisierung selbst Fachleuten Schwierigkeiten macht. Natürlich soll nicht in Abrede gestellt werden, dass es den Kindern möglich ist, hierzu eigene Gedanken zu notieren. Schlimmstenfalls werden sie aber lediglich einige verstreute Informationsbrocken reproduzieren oder gar nichts aufschreiben.

Wie verläuft seitens der Künstlerin der zweite Tag in Halle 16? Zunächst erklärt sie die „Spielregeln“ (der Institution!), dann bittet sie die Schülerinnen und Schüler um das Unterschreiben des Teilhabevertrags, verlässt anschließend den Ort, kommt dann mit Blumen zurück, verteilt die Blumen, jedes Kind erhält eine, lässt die Kinder einen festen Ort am Körper auswählen, vermutet nun eine Transformation bei den Kindern (die Kinder „scheinen“ die Bedeutung von Blumen und Körpern zu transformieren)[3], die Körper der Kinder werden nun „Landschaften“. Essi lässt einen Sitzkreis bilden, lässt reflektieren, lässt über „Erkenntnisse“ nachdenken, die „mitgenommen werden können“, lässt die Zusammensetzung der „inneren Landschaft“ beschreiben, lässt abschließend die Kinder losrennen, in den Bus steigen, „stärkt“ die Kinder in ihrer „Rolle als Kulturschaffende“, gibt „weitere Fragen“[4] mit auf den Weg.

Wer steuert wen durch die Landschaft? Betrachten wir das von einer Künstlerin geprägte Vermittlungskonzept aus einer (kunst)pädagogischen Perspektive, so wird die starke Dominanz der Lehrperson bzw. Künstlerin deutlich, handelt es sich in der Schule doch zunächst um einen lehrerzentrierten Unterricht. Die Schülerinnen und Schüler erlangen keine Mitsprachemöglichkeit auf der Ebene der Gestaltung von Unterricht, der Auswahl der Gegenstände, des zeitlichen Rahmens, der Auswahl der Inhalte etc. Der Parcours wird von der Lehrperson bzw. Künstlerin festgelegt. Diese nimmt die Kinder nicht als fragende, induktiv-forschende wahr, die die Thematik zunächst selbst erkunden könnten[5], sondern ihnen wird gezeigt, erklärt, erläutert, aufmerksam gemacht, letzte Arbeiten werden vorgestellt, eine Frage gestellt, eine Hausaufgabe gegeben. Die Kinder werden als weitgehend passive Informationsempfänger betrachtet, denen zunächst die Kunst gezeigt und die richtige Interpretation hierzu gleich mitgeliefert wird.[6]

Am Lernort Kunstmuseum angekommen, werden sie sogleich mit den institutionellen Spielregeln vertraut gemacht, die sie nicht hinterfragen dürfen, jedenfalls berichtet uns Frau Acaso hierüber nichts. Sie werden alsdann obendrein mit einem „Vertrag“ konfrontiert, den sie zu unterschreiben haben. Der/die Leser/-in des Artikels wird über den Inhalt des Arbeitsvertrages im Unklaren gelassen, aber wird der Vertragstext von den Schülerinnen und Schülern verstanden? Worum handelt es sich? Geht es um die schriftlich dokumentierte Besiegelung eines Rollenwechsels von der Schüler/-innen- in die Künstler/-innenrolle? Warum ist das an dieser Stelle im Vermittlungsgeschehen notwendig? Oder wird hiermit auf die höchst problematische Vertragswelt institutionalisierter Kurator/-innentätigkeit angespielt, die jedoch nicht schülergerecht transparent gemacht wird. Hiervon erfahren die Schülerinnen und Schüler womöglich wenig bis nichts. Sie werden in ein Rollenverständnis gezwungen, das sie sogleich – nun als quasi erwachsene „Künstlerinnen und Künstler“ – akzeptieren müssen. Was wäre, wenn ein Schüler diese Vertragsunterzeichnung ablehnte? Gab es zuvor eine Einführung in das Vertragswesen zwischen den „jungen Künstlerinnen und Künstlern“ und der Kunstinstitutionen? Wann war das ein Thema? Maria Acaso schreibt hierüber nichts.

Nachdem die Schüler/-innen in der Schule zunächst unterrichtsdidaktisch und methodisch äußerst eng geführt wurden, weitet sich nun scheinbar am Lernort Kunstmuseum ihre – zumindest qua Titel zugewiesene – neue Rolle in einen erwachsenen „künstlerischen“ Status- bzw. Aufgabenbereich. Dieser soll sie offenbar dazu befähigen, nun wie eine „junge Künstlerin/Künstler“ den weiteren Vermittlungsfortgang betrachten zu dürfen. Per Umetikettierung werden die Kinder hierbei wahlweise als kleine „Künstler/-innen“ und „Performer/-innen“ tituliert, ohne zu begründen, wer ihnen (und warum) das Recht auf Zusprechung erteilt hat. Ist das eine Frage der Definition der Künstlerin oder der Autorin des Beitrags? Haben die zuvor stattgefundenen Unterrichtsstunden bzw. die Vermittlungsbemühungen der Künstlerin am Tag zuvor die Adressatinnen und Adressaten hierzu ästhetisch-künstlerisch und methodisch sensibilisieren können? Und wird der weitere Vermittlungsprozess hiervon unterstützt?

Nun werden die Schülerinnen und Schüler mit einer Blume konfrontiert, die sie sich sogleich irgendwo am bekleideten Körper anheften dürfen. Hier sind sie in der Wahl frei. So applizieren sich alle den Naturgegenstand an der Kleidung. Jenseits des auch im Museum weiterhin zielstrebig durchgesteuerten Vermittlungsprozesses und des vorgeschlagenen Umgangsangebotes mit dem Naturgegenstand Blume ist zu fragen, ob sich nicht auch andere, selbsterschließende, weniger reproduktiv-deduktive Interaktionspraxen mit diesem ergeben könnten, die die Handlungsmöglichkeiten der Zielgruppe individualisieren, diversifizieren und hiermit differenzieren helfen und auf erweiterte Zeit- und Erkundungsräume setzen? Warum findet keine (künstlerische) Auseinandersetzung mit der Blume (Form, Farbe, Schönheit, Geschichte, Bedeutung und Funktion im gesellschaftlichen und künstlerischen Kontext, Formen ihrer Produktion und Verwertung etc.) statt? Warum wurde sie hierfür geschnitten und als Lebewesen zu einem Objekt einer Kunstvermittlung instrumentalisiert? Warum ist das kein Thema? Gerät die Künstlerin hiermit nicht in einen Selbstwiderspruch ihrer Auffassungen?

Die Blume wird – quasi im schamanistisch-okkultistischen Akt der ‚Kraftübertragung‘ – zum mythisch-mystischen Bedeutungsträger aufgeladen und dient nun der performativen Transformation in neue Sphären der (körperlichen?) „Erkenntnis“, die seitens der Autorin Acaso aber lediglich gemutmaßt wird: „Auf diese Weise scheinen sie (die Schülerinnen und Schüler; Anm. J.K.) sowohl die Bedeutung der Blumen als auch die Bedeutung ihrer Körper zu transformieren, sie deuten ihre Körper mit Hilfe der Blumen um und werden Teil einer neuen Körperlandschaft.“

Der weitere Fortgang der Kunstvermittlung am Lernort Kunstmuseum zeigt, wie auch jener in der Schule, das drängende Bedürfnis der Künstlerin, die eigene künstlerische Konzeption zum kunstpädagogischen bzw. kunstvermittelnden Maßstab ihrer Vermittlungsarbeit werden zu lassen. Subjektive Selbstbewegungen seitens der Zielgruppe sind in diesem eng gefassten zweitägigen Vermittlungsfenster wenig bis gar nicht vorgesehen, jedenfalls erfährt der Leser von Maria Acaso hierüber nichts. Die Analyse macht deutlich, auf welchem kunstpädagogischen bzw. didaktisch-methodischen Selbstverständnis, auf welchem Konzeptverständnis ‚ihr‘ Vermittlungsprojekt fußt.

Dies gilt auch für die weiteren im Text erwähnten Vermittlungsprojekte, die in Bezug auf die Kunst der Vermittlung bzw. die didaktisch-methodischen Kompetenzen der Künstlerinnen und Künstler seltsam unterbelichtet bleiben.[7]

Alle Faktoren sprechen für ein Lehr-Lern-Verständnis, das (in Deutschland) historisch überholt ist und nichts bis wenig weiß von den aktuellen Diskursen einer kritischen Kunstvermittlung bzw. Kunstpädagogik auf der Höhe der Zeit, die heute beispielsweise aus den Erkenntnissen künstlerischer Wissens- und Bedeutungsproduktion die angemessenen Vermittlungssettings entwickelt. Es bleibt völlig unklar, was die Schülerinnen und Schüler überhaupt gelernt haben. Das ist umso irritierender als Acaso hiermit ihre revolutionären kunstpädagogischen Ansätze zu illustrieren versucht.

Gibt es ein neuerliches Aufnehmen der Erfahrungen im Museum, wenn die Schülerinnen und Schüler wieder in ihrem Kunstunterricht sind? Wie wird das Erfahrene denn nun (auf)geklärt, vertieft, verstetigt, auf Kontexte bezogen bzw. in neue Kontexte gesetzt? In der Tat: Wie wird den Schülern das „Gepäck an neuen Fragen“ erleichtert? Es wird in Bezug auf die hier sehr eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler ein hierzu im Kontrast stehender höchst inflationärer Gebrauch der Begriffe „Künstler“, „Performer“, „Kulturschaffender“ gemacht. Dieser Gebrauch wird nicht systematisch entwickelt und begründet, sondern erfolgt als Setzung, wird hiermit in der inflationierten Inanspruchnahme zur Ideologie eines kunsttheoretischen, kunstpädagogischen bzw. kunstvermittelnden Konzepts und entleert diese zusehends, ohne allerdings eine neue und veränderte Bedeutung sichtbar zu machen.

Diese Kunstvermittlung zeigt sich in seiner anhaltenden Dominanz der Künstlerin als durchstrukturiertes Kontrollsystem. Auffällig ist der wiederholte affirmative Zugriff auf institutionelle Rahmenbedingungen, der bewusstseinsmäßig hinter die Kontext-Kunst und ihre institutionskritischen Aktionen zurückfällt (vgl. Weibel 1994).

Das hier von mir angesprochene Beispiel künstlerischer Kunstvermittlung zeigt exemplarisch, wie Kunstvermittlung seitens hierfür nicht ausgebildeter Künstler/-innen (oder Kunstpädagog(en)/-innen) gerade nicht verstanden werden sollte, ohne die Sache zu klären und den Menschen zu stärken. Es ist gerade kein gutes Beispiel aktueller Diskussion der von der Autorin vielfach zurecht angemahnten Defizite der Kunstpädagogik/Kunstvermittlung in Spanien und anderswo. Auch hier zeigt sich der missing link[8] der Kunstdidaktik, der die fatale Bruchstelle bzw. professionelle Blindheit zwischen elaborierter Theorieproduktion einerseits und künstlerischer „Vermittlungspraxis“ und den Kompetenzen am Lernort Kunstmuseum oder andernorts eklatant deutlich macht. (Künstlerische) Kunstvermittlung ohne ein adäquates didaktisch-methodisches und kunstpädagogisches Bewusstsein auf der Höhe des Gegenwartsdiskurses bleibt hohl und leer.

Acasos Darstellung ist flüchtig und ihre selbstautorisierte Schlussfolgerung des Vermittlungsprojekts kommt ganz ohne die Künstlerin mit ihren eigenen Erfahrungen, Einsichten und Deutungen aus.

Acaso bezieht sich in ihren Äußerungen häufig auf den Konzeptkünstler Luis Camnitzer. Seinen analytisch-sprachgebundenen Ansatz gilt es offenbar zu übertragen auf Kunstvermittlungsprozesse in und außerhalb von Schule, die primär Wissenstransformation vorsehen. Dagegen ist nichts zu sagen, zumal derartige konzeptkünstlerische Praxen in Deutschland längst Eingang in schulische und hochschulische Bildungs- und Vermittlungskontexte gefunden haben und auch in den Curricula präsent sind. Allerdings ist die Frage, ob sie gegen andere (handlungsorientierte) künstlerische Praxen und Methodologien (vgl. Lehnerer 1994) ausgetauscht werden sollten, die mit ihnen zusammen erst das bis heute breit entwickelte Spektrum unterschiedlichster Denk- und Handlungsmöglichkeiten in Moderne und Gegenwartskunst ausmachen. Auch Konzeptkünstler/-innen wie Hans Haacke, Anna Oppermann, Christian Boltanski oder Christo müssen ihre bildanalytischen und synthetisierenden Verfahrensweisen handwerklich-gestalterisch erarbeiten. Hierbei ist ein handlungspraktischer Umgang mit Bildern zwingend geboten.

Im von Acaso vorgestellten Vermittlungsbeispiel wird die (Kunst)Lehrerin/der Lehrer zur Randfigur. Es würde mich sehr interessieren, inwiefern derartige Projekte in den Unterrichtsalltag integriert werden können, damit sie nicht als Strohfeuer oder isolierte ‚Leuchttürme‘ der kulturellen Bildung enden? Hierzu ist es geboten, Vorschläge gelingender Interaktionen zwischen Schule und Ausstellungshäusern oder anderen Lernorten zu machen oder aber aufzuzeigen, inwiefern engagierte Kunstlehrer/-innen nicht dieselben Aufgaben ebenso gut übernehmen könnten.[9]

Es deutet sich im Beitrag von Maria Acaso eine kunstvermittelnde Praxis an Kunstmuseen im Gewand der ‚Museumskommunikation‘ an, die weder Zeit noch tiefer gehende Intensitäten noch Nachhaltigkeit generieren kann, so wie wir sie auch in Deutschland an verschiedenen Orten sehr genau beobachten können[10]. In diesen wird u.a. gern der prekäre Status von Künstlerinnen und Künstlern als Rollenmodelle verschlankter Bildungsprozesse genutzt, den symbolischen (und ökonomischen) Mehrwert kurzfristig für die Generierung von Besucherzahlen zu nutzen.

Ohne ein adäquates didaktisch-methodisches und kunstpädagogisches Vermittlungskonzept relativiert sich Maria Acasos leidenschaftlich vorgetragenes Versprechen einer ‚Revolution‘ von Schule und Unterricht angesichts dieses und anderer von ihr vorgestellten und von ihr nicht weiter hinterfragten Beispiele einer ‚revolutionären‘ Praxis.[11] Ist das, was die Autorin in ihrem Text präsentiert, also für den deutschsprachigen Diskurs wirklich richtungsweisend, empfehlenswert und neu?

Insgesamt ist der Text mit seinen Forderungen, schaut man sich den deutschen Diskurs der letzten 20 Jahre an, in vielen Teilmomenten redundant, da längst – und immer wieder – vorgetragen[12], wenngleich das Veränderungsbewusstsein noch immer nicht in Schule und Kunstvermittlung angekommen ist.

Erweiterte Kunst- und Kreativitätsbegriffe, die ins Soziale ausgreifen, Bezug zu Alltagsästhetiken, Prozess- und Projektorientierung, Einbezug der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen, das Suchen und Finden eigener Fragen, eine performative Didaktik, Schüler/-innen als Wissensproduzent/-innen, die Favorisierung künstlerischer Bedeutungs- und Erkenntnisgewinnung für edukative Kontexte, Inter- und Transdisziplinarität, Selbstfremdheit, außerschulische Lernorte, Doppelqualifikation als Künstler/-innen und Lehrer/-innen u.v.m. sind Parameter einer Debatte um künstlerischen Bildung, die in Deutschland schon früh begonnen wurde und die in der Lehrer/-innenbildung klare Kontur erlangt hat. Es kann nicht schaden, wenn es angesichts des Beitrags von Maria Acaso zu ‚Wieder-Holungen’ des hier Erstrittenen kommt, gerade wenn diese die eigenen Überzeugungen – jetzt aus spanischer Perspektive – neuerlich bestätigen. Was in der spanischen ‚Wieder-Holung’ allerdings fehlt, ist die klare und jeweils angemessene Darstellung des professionellen didaktisch-methodischen Selbstverständnisses als Kernbewusstsein kunstpädagogischer und künstlerischer Professionalität, das in den hier vorgestellten Projektbeispielen seltsam diffus bleibt. Dieses ist aber der ‚Lackmustest‘ künstlerischer Kunstvermittlung auf der Höhe der Erkenntnisse.

Wenn Acaso im Nachvollzug mancher Überlegungen der post-studio art gar die Auflösung des Handwerklichen und hiermit auch die von Ateliers und Werkstätten als Orte künstlerischen Experimentierens, Forschens, Elaborierens etc. fordert, so ist das ein ebenso falsches Signal an die Schul- , Bildungs- und Finanzpolitik.

Diese Auffassung steht frontal zu den jüngsten Errungenschaften einer Integration edukativer Räume als Lehr-, Lern- und Erfahrungslabore in Kunstmuseen. Hier konnten innerhalb der konkreten Ausstellungen – jenseits der klassischen museumspädagogischen Arbeit in Kinder-Werkstätten – neue Räume der Vermittlung etabliert werden. Nicht selten wurden sie den bislang üblichen kuratorischen Interessen abgerungen, um neue Methoden der Kunstvermittlung zu erproben.[13]

Es wäre ein fatales Signal an die politischen Entscheidungsträger, Kunst-Werkstätten, Kunst-Labore, Kunst-Ateliers dort aufzugeben, wo wir sie dringend im Bildungskontext (und noch viel mehr davon!) benötigen: An den Schulen, Kindergärten, Hochschulen und Universitäten. Warum sollten andere Disziplinen ihre Designwerkstätten, Chemie- oder Physiklabore und Architekturateliers freiwillig aufgeben? Unsere Schulen im Lande verfügen auch heute noch längst nicht alle über einen für künstlerische Praktiken geeigneten Raum. Kunst findet nach wie vor in Klassenzimmern statt. Künstler wie z.B. Bruce Nauman, Olafur Eliasson oder William Kentridge – und auch Luis Camnitzer – experimentieren in ihren Ateliers mit Materialkonstellationen und Formfindungsprozessen bis hin zu objektlosen Atmosphären. Auch die Konzeptkunst Camnitzers ist auf derartige Werkstätten angewiesen, die z.B. seine Druckgrafik anfertigen, die er dann (für hohe Summen) als marktförmige Kunstobjekte auf dem Kunstmarkt veräußert. Es ist ein völliges Verkennen künstlerischer und kunstpädagogischer Denk- und Handlungsprozesse, die analoge Möglichkeitsräume zwingend benötigen. Materialerkundungen sind als Grundlagenforschung kein alleiniges Monopol von technischen Universitäten, deren Labore unhinterfragt mit Millionen von Steuergeldern unterstützt werden.

Stephanie Dieckvoss und Tanja Klemm gelangen im von ihnen verantworteten Band „Kunst lernen?“ in Kunstforum International (Dieckvoss/Klemm 2017: 50 ff) zu Ausbildungspraktiken an Kunstakademien und Kunsthochschulen im internationalen Kontext zu der Auffassung, dass das Material heute an allen von ihnen besuchten Kunsthochschulen eine wesentliche Rolle spielt und aus der Ausbildung[14] nicht wegzudenken ist, zumal „gerade bei jungen Studenten das Interesse an handwerklichen Techniken und traditionellen Formen des Materialwissens groß“ ist, wenngleich ein Rückgang an handwerklichem Wissen in den letzten Jahren zu beklagen sei[15]. Der Austausch teurer Werkstätten gegen Computerlabs wird sogar von führenden Designern kritisiert. Schließlich stellen die Autorinnen in ihren globalen Recherchen an Kunsthochschulen in postkolonialen Gesellschaften einen neuen Bezug zu indigenen Traditionen und handwerklichem Können fest, indem „zunehmend traditionelle Fertigkeiten erneut ins Zentrum des Interesses rücken“ (ebd.: S. 50 ff). Die Autorinnen listen „zahlreiche neue Initiativen im Rahmen einer ‚Craft Research‘ – einer Forschungsrichtung, die in letzter Zeit zunehmend an Kunst- und Designhochschulen eingeführt wird“ (ebd.: S. 50 ff) auf. „Zuletzt scheint im Rahmen dieser kursorischen Bestandaufnahme interessant“, so Dieckvoss und Klemm, „dass sich konzeptuelle und materialbasierte Zugänge an einigen Kunsthochschulen und Kunstakademien schlichtweg nicht (mehr) ausschließen wie das en gros noch in den 1980er-Jahren der Fall war“ (ebd.: S. 50 ff).

Nahe liegt in Maria Acasos Beispielen die Gefahr einer unangemessenen Beanspruchung des Künstlerischen und der jeweiligen Zielgruppen in kunstpädagogischen bzw. kunstvermittelnden Kontexten. Was aber ist das Künstlerische in diesem Text, was die Kunst? Was unterscheidet einen art educator von einem Kunstpädagogen? Wer definiert hier Partizipation? Aus welcher Sicht wird gesprochen? Auch die Verweise der Autorin auf Nicolas Bourriaud sind trügerisch, da er einen exklusiven Relationsbegriff verwendet, der gerade in Bezug auf Teilhabe und Partizipation ausgrenzend ist (vgl. Laleg 2012; Wischhoff 2013).

Dieses wie auch die Vermittlungsbeispiele und Forderungen der Autorin überrennen die intensive und notwendige Auseinandersetzung mit dem Wie des kunstpädagogischen bzw. kunstvermittelnden Vermittlungsgeschehens. Trotz durchgängig eingeforderter Wissensproduktion und Forschungsorientierung zeigen ihre Ausführungen auf der Mikroebene, in der man das konkrete künstlerisch-kunstpädagogische Vermittlungswissen sucht, lediglich eine kunstpädagogische Leerstelle. Obwohl es um Kunstpädagogik geht, spielen Kunstlehrer/-innen in den Vermittlungsprojekten keine Rolle. Stattdessen aber Künstler/-innen mit z.T. völlig abstrusen Vorstellungen von Lehr- und Lernprozessen. Vermittlungsbemühungen – ganz gleich, ob von Künstler(n)/-innen oder von Kunstpädagog(en)/-innen durchgeführt – sind ohne aufgeklärte kunstpädagogische und methodisch-didaktische Kompetenzen grundsätzlich problematisch.

Sie provozieren hierbei die Gefahr, im Widerspruch zum eigenen revolutionären Anspruch, das System der Kunstvermittlung und seine ‚Qualität’ lediglich am status quo zu halten bzw. ganz im Sinne der neoliberalen Vermittlungsideologie noch ‚abnehmerfreundlicher’ und noch ‚verschlankter‘ gegen Null laufen zu lassen. Die kunstpädagogische „Revolution“ frisst so ihre Kinder!

Literatur

Buschkühle, Carl-Peter (1997): Wärmezeit. Zur Kunst als Kunstpädagogik bei Joseph Beuys. Frankfurt am Main.

Ders. (Hg.)(2003): Perspektiven künstlerischer Bildung. Köln.

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Ders. et al. (Hgg.)(2008): horizons/horizonte insea2007germany. InSEA Art Education Research and Development Congress horizons/horizonte insea2007germany. Oberhausen.

Ders. (Hg.)(2009): Künstlerische Kunstpädagogik. Ein Diskurs zur künstlerischen Bildung. Oberhausen.

Ders. (2017): Künstlerische Bildung. Theorie und Praxis einer künstlerischen Kunstpädagogik. Oberhausen.

Busse, Klaus-Peter (2007): Vom Bild zum Ort – Mapping lernen. Norderstedt.

Brohl, Christiane (2003): Displacement als kunstpädagogische Strategie. Norderstedt.

Dieckvoss, Stephanie/Klemm, Tanja (2017): Kunstfertigkeiten. Ausbildungspraktiken an Kunstakademien und Kunsthochschulen. In: Kunst lernen? Kunstforum International. Band 245, 2017. 50 ff.

Heil, Christine (2007): Kartierende Auseinandersetzung mit aktueller Kunst. Erfinden und Erforschen von Vermittlungssituationen. Schriftenreihe Kontext Kunstpädagogik, Band 11. München.

Kettel, Joachim et al. (Hg.) (1998): Kunst lehren? Künstlerische Kompetenz und kunstpädagogische Prozesse. Neue subjektorientierte Ansätze in der Kunst und Kunstpädagogik in Deutschland und Europa. Stuttgart.

Ders. (2001): SelbstFREMDheit. Elemente einer anderen Kunstpädagogik. Oberhausen.

Ders. et al. (Hgg.)(2004): Künstlerische Bildung nach Pisa. Neue Wege zwischen Kunst und Bildung. Mapping Blind Spaces. Tagungsband des internationalen Symposiums. Oberhausen.

Ders. et al. (Hgg.)(2008): horizons/horizonte insea2007germany. InSEA Art Education Research and Development Congress horizons/horizonte insea2007germany. Oberhausen.

Ders. (Hg.)(2017): The Missing_LINK 2016. Übergangsformen von Kunst und Pädagogik in der kulturellen Bildung. Künstlerische Kunstpädagogik im Kontext. Oberhausen.

Kikol, Larissa (2016): Kunstvermittlung 2.0. Just for fun. In: art. Das Kunstmagazin. 21.07.2016.

Laleg, Dominique (2012): Das Potenzial des Ästhetischen. Drei Fragen an Juliane Rebentisch zum Verhältnis von Ästhetik und Politik. In: all-over. Magazin für Kunst und Ästhetik, #3, Herbst/Winter 2012, 26-35.

Lehnerer, Thomas (1994): Methode der Kunst. Würzburg.

Mörsch, Carmen (2009): Educational Einverleibung, oder: Wie die Kunstvermittlung vielleicht von ihrem Hype profitieren könnte. Ein Essay – anlässlich des zehnjährigen Jubiläums von Kunstcoop. Berlin, 255-257.

Preuss, Rudolf (Hg.)(2008): Mapping Brackel (Dortmunder Schriften zur Kunst. Studien zur Kunstdidaktik Bd. 7). Norderstedt.

Regel, Günther (2001): Beuys und die Zweite Moderne. Herausforderung der künstlerischen Bildung. Mit einem Gespräch mit Günther Regel anlässlich seines 75. Geburtstages. Institut für Kunstpädagogik, Leipzig.

Ders. (2004): Thesen zum Konzept Künstlerische Bildung. In: „Kunst+Unterricht“. Heft 280. Seelze.

Ders. (2008): Das Künstlerische vermitteln. München.

Sturm, Eva (1996): Im Engpass der Worte. Sprechen über moderne und zeitgenössische Kunst. Berlin.

Dies. (2005): Vom Schießen und Getroffen-Werden. Kunstpädagogik und Kunstvermittlung. Von Kunst aus. Kunstpädagogische Positionen 7. Hamburg.

Ullrich, Wolfgang (2015a): Stoppt die Banalisierung! 11. April 2015. In: DIE ZEIT. Nr. 13, 2015.

Ders. (2015b): Kommunizieren mit Kunst. Museen und die Sozialen Medien. Deutschlandfunk 08.11.2015.

Ders. (2015c): Das Kunstmuseum der Zukunft – eine Kreativitätsagentur? Vortrag am 27.11.2015. Staatsgalerie Stuttgart. https://ideenfreiheit.wordpress.com/2015/12/07/vortrag-das-kunstmuseum-der-zukunft-eine-kreativitaetsagentur.

Weibel, Peter (1994)(Hg.): Kontext Kunst. Kunst der 90er Jahre. Köln.

Wischhoff, Mona (2013): Geäußerte Künstlerkritik der Gegenwart: Das Politische Potential einer „Relationalen Ästhetik“. In: DIE NADEL – Kulturwissenschaftliche Zeitschrift für Kunst und Medien, Nr. 1, 2013, 60-82.

Anmerkungen

[1] Es ist für den Leser/die Leserin nicht klar, ob die Autorin selbst als Beobachterin der von ihr hier geschilderten Szenen vor Ort war. Auch die Schulform, ob Hauptschule, Realschule oder Gymnasium, bleibt offen.

[2] Siehe hierzu das von Eva Sturm geäußerte prekäre Kommunikationsverhältnis (vgl. Sturm 2005 und Sturm 1996).

[3] Allerdings wird aus der Schilderung des Vermittlungsverlaufs nicht deutlich, wer hier zu dieser Interpretation gelangt: Ist es die Autorin Maria Acaso selbst oder die Künstlerin?

[4] Auch hier ist die Interpretationssituation unklar.

[5] Siehe hierzu: Künstlerische Methoden des Kartierens und Mappings z.B. Busse 2007, Brohl 2003, Heil 2007, Preuss 2008.

[6] Dieses Interaktionsmodell erinnert an das traditionelle Vermittlungsverständnis der Museumspädagogik, betrieben von Kunsthistoriker(n)/-innen und Kunstwissenschaftler(n)/-innen.

[7] Das Beispiel einer ‚Vermittlungsaktion‘ in der Kinder- und Jugendpsychiatrie ist hier ebenso problematisch, da die Künstlerin die Kinder und Jugendlichen für ihr ‚emanzipatorisches‘ Befreiungsprojekt funktionalisiert, indem sie diese gefakte Entlassungsscheine herstellen lässt. Es ist die Frage, ob diese Form des symbolischen ‚Empowerments‘ den Kindern und Jugendlichen echte Heilungschancen gewährt, die ihnen durch professionelle ärztliche Hilfe versagt blieben. Es ist auch die Frage, ob der Künstlerin dieses Vorgehen aus aufgeklärter medizinischer Sicht, ohne Absprache mit den behandelnden Ärzten, überhaupt zukommt.

[8] Internationaler Kongress „The Missing_LINK 2016. Übergangsformen von Kunst und Pädagogik in der kulturellen Bildung. Künstlerische Kunstpädagogik im Kontext.“ Karlsruhe 2016.

[9] Siehe hierzu die kunstpädagogische Konzeption der künstlerischen Bildung (vgl. Carl-Peter Buschkühle 1997/2003/2007/2009/2017; Joachim Kettel 1998/2001/2004/2008/2017; Günther Regel 2001/2004/2008), die vorsieht, dass Kunstlehrer/-innen auch Künstler/-innen sein müssen, um angemessen Kunst unterrichten zu können.

[10] Ullrich (2015a); Ders. (2015b), Ders. (2015c); Kikol (2016); „Durch die kulturpolitische Aufwertung der kulturellen Bildung stehen die Leitungen von Kunstinstitutionen unter dem wachsenden Druck, Vermittlung einzuführen. Diese gerät dabei häufig zum – evaluierbaren – Legitimationsfaktor für die Existenz öffentlich subventionierter Einrichtungen und wird mit quantitativer Publikumserweiterung, mit einer unterkomplexen und eventorientierten Angebotsstruktur, die vermeintlich die ‚breiten Massen‘ erreichen kann, gleichgesetzt.“ (Mörsch 2009: 254).

[11] Im Vermittlungsbeispiel „Ko-nichi wART“ des Japanischen Künstlers Yuta Nakajima in Zusammenarbeit mit einer spanischen Grundschule geht es um den „Einbezug“ von Erstklässler/-innen in „komplexe Werkaktivitäten“ auf der Basis einer „kindgerechten Relationalen Ästhetik“. Wie nur kann man sich die konkrete methodisch-didaktische, „kindgerechte“ Transformationsarbeit vorstellen, wenn Acaso wie folgt im Jargon der Eigentlichkeit formuliert: „Für das Projekt El Ranchito konzipierte Yuta eine Arbeit, die sich in zwei Sessions unterteilte. In der ersten Phase besuchte er die Grundschule und gab Einblicke in die visuelle Dekonstruktion zwischen japanischer und spanischer Kultur innerhalb einer lecture (performance), die er bereits zuvor umgekehrt in spanischer Sprache in Japan gehalten hatte. Diese war in vier Phasen unterteilt und führte vom Konkreten zum Abstrakten.“

[12] Die künstlerische Bildung macht hierzu seit 20 Jahren Vorschläge u.a. im Rahmen internationaler Kongresse und Symposien zur künstlerischen Bildung bzw. künstlerischen Kunstpädagogik, die seit dem Jahre 1997 mit dem Kongress „Kunst lehren?“ (Bundesakademie Wolfenbüttel/Hochschule für Bildende Künste Braunschweig) ihren diskursiven Auftakt nahmen und in den Folgejahren kontinuierlich fortgesetzt wurden: 2001 („Perspektiven künstlerischer Bildung“; Pädagogische Hochschule Heidelberg), 2003 („Mapping Blind Spaces – Künstlerische Bildung nach PISA“; Pädagogische Hochschule Karlsruhe/ZKM Karlsruhe), 2007 („horizonte/horizons insea2007germany“; Pädagogische Hochschulen Karlsruhe und Heidelberg) und 2011 („Künstlerische Kunstpädagogik“; Universität Gießen); 2016 („The Missing_LINK 2016. Übergangsformen von Kunst und Pädagogik in der kulturellen Bildung. Künstlerische Kunstpädagogik im Kontext“; Karlsruhe).

[13] Siehe die von Henrike Plegge eingerichteten Räumlichkeiten in der Ausstellung „The Global Contemporary“ ZKM Karlsruhe und die Kooperationen, u.a. mit dem Institut für Kunst der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe und angeschlossenen Praktikumsschulen. Im Rahmen von: The Global Contemporary. Kunstwelten nach 1989 – ZKM | Museum für Neue Kunst, Karlsruhe, 17.09.2011–05.02.2012.

[14] „Do it yourself. Deskilling and Reskilling in the Digital Techno Age“ am Institut für Kunstkritik in 2016/2017 an der Städelschule Frankfurt.

[15] „Neben der Zeichnung lag das Augenmerk vor allem auf den Werkstätten, Klassen und Ateliers, d.h. auf den Orten, wo die intensive praktische Arbeit an und mit den Materialien und Werkstoffen im Vordergrund steht. Diese Orte waren es auch, die an das konkrete ‚Wie‘ der Kunstausbildungspraktiken führte. Dazu gesellte sich immer die Frage nach der historischen, architektonischen und urbanen Verortung, nach dem sozialen Raum der Institutionen und daraus folgernd, nach ihrem gesellschaftlichen Bezug.“ (Dieckvoss/Klemm 2017, 50 ff).

Von Joachim Kettel

Veröffentlicht am 12. Juni 2017

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Zitiervorschlag

Kettel, Joachim: Wie aus Kindern im Handumdrehen Künstler/-innen und Kulturschaffende werden., in: Zeitschrift Kunst Medien Bildung | zkmb 2017. Quelle: https://zkmb.de/wie-aus-kindern-im-handumdrehen-kuenstler-innen-und-kulturschaffende-werden/; Letzter Zugriff: 29.03.2024