Plastische Anwendung. Kommentar zum Beitrag von Karl-Josef Pazzini

In seinem Text „Kunst existiert nicht, es sei denn als angewandte“ legt Pazzini dar, dass Kunst als solche – d. h. als unverbrauchbar reines, ideales, absolutes Original, als Ding an sich – nicht existiert, sondern sich in je spezifischen und damit unterschiedlichen Anwendungen bzw. als je unterschiedliche Wendung realisiere, etwa in der differenziellen Form der Kunstpädagogik (vgl. Pazzini 2000: 1-2), welche anderen Anwendungen von Kunst, etwa denen des Kunstmarktes in nichts nachstünde. Pazzini entlehnt dabei den Begriff der Anwendung der Philosophie Jacques Derridas und folgt insofern dem Programm der Dekonstruktion, welches selbst von der ethischen Verantwortung für den Anderen, d. h. auch von einem Moment jenseits jeglicher Programme geleitet ist (vgl. ebd.: 9 und 14).

Der Begriff des Originals scheint somit auf einen positivistischen Traum reduziert, welcher eben jenem didaktischen Handeln zu eigen sei, welches versuche, sich in einem quasi schuldlosen Programm, als unhintergehbares Original, welches kein Jenseits kenne, zu legitimieren (vgl. ebd.: 3). Doch erschöpft sich der Begriff des Originals in seiner Derrida’schen Dekonstruktion, d. h. in einer textuellen Logik, welche den Begriff des Originals schon deshalb nicht gelten lässt, da es sich selbst immer nur in Form des Textes, also in Form eines Supplements, in Form einer textuellen Anwendung ereignet? Zwar werden Affekte und Begehren (vgl. ebd.: 6), die unerlässliche Performativität der Anwendungen (vgl. ebd.: 8-9) beschworen, doch wird die körperliche Dimension vernachlässigt, welche noch „die Widerständigkeit des Imaginären“, die „Notwendigkeit der unbeherrschbaren Dekonstruktion und Konstruktion der Inhalte im Prozess des Lehrens und Lernens, [die] Charakteristika von Übertragungsprozessen“ (ebd.: 6) fundieren. Nachvollziehbar kritisiert Pazzini, dass Didaktik oft die Bilder zurichtet (vgl. ebd.: 7). Doch könnte man meinen, es zeichne sich vor dem Hintergrund des Derrida’schen Text-Supplements ein Bild des Originals, welches eben jenes selbst entschärfe.

Peter Sloterdijks Formel, welche Subjektivität vor diesem Hintergrund emblematisch „zur Anstrengung die-ich-bin“ (ebd.: 8) reduziert und damit versucht, ihre Wahrheit in ihrer performativen Dimension zu begründen, lässt aber die Anstrengungen fundierende körperliche Dimension im Genaueren unbenannt, welche die aporetisch bedingte Artikulation und Weitergabe von Erzählungen in Form außerbewusster körperlicher Vorgänge durchwirkt und sich sozusagen in die Erzählungen mit einschreibt bzw. diese mitschreibt. Wie ließe sich von einem Original sprechen, welches sich nicht ausschließlich in Form einer textuellen Anwendung supplementiert bzw. ereignet, sondern im Sinne seiner nicht supplementierbaren Körperlichkeit originär würde?

Wie ließe sich also die von Pazzini angebahnte Aporetik des Weg-Bahnens-im-Unbekannten noch vertiefen, um sie erstens nicht ausschließlich zu einer Frage des Textes, d. h. zu einer Derrida’schen Frage zu machen und zweitens die Aporie, d. h. die Weglosigkeit mit Hinblick auch auf das Original wirksam werden zu lassen? Damit vielleicht der Weg der Pazzini’schen Anwendung von Kunst nicht selbst zum unhinterfragbaren Original verkommt und dem Begriff des Originals selbst eine irreduzible, sich entziehende Dimension beigemessen werden kann.

Catherine Malabous Versuch der Dekonstruktion der Derrida’schen Dekonstruktion zugunsten eines nicht-textuellen, sondern vielmehr plastischen Ansatzes kann hierbei unter Umständen dienlich sein, ohne dabei Pazzinis Ansatz der Anwendung ganz widerlegen zu wollen. Vielmehr könnte Malabous Begriff der Plastizität helfen, Pazzinis Perspektive auf die Bezugnahme auf Kunst bzw. die Wendungen von Kunst selbst zu wenden, d. h. neu und damit Neuem zu öffnen, insofern Malabou einen anderen Begriff des Originals bzw. der Genese von Realität geltend macht. Letztlich entspräche dieses Vorhaben auch Pazzinis Betonung dessen, was uns heute zentral beschäftige, nämlich unterschiedlichste Perspektiven zu konstruieren, welche uns einen tieferen Einblick darüber verschaffen, wie „die Formwandlung, der Formungsprozess, die Formgewinnung […] die Verschiebung des Inhalts bei […] der Artikulation […] [bzw.] seine Generierung im Prozess der Formulierung“ (ebd.: 12), d. h. „die Wiederholung ohne Identität“ (ebd.: 14) zu fassen sei, wie wir uns dem Aus-der-Spur-Geraten (vgl. ebd.: 13) neben dem Hintergrund Sigmund Freuds und Derridas noch anders und doch im Sinne der besagten Rezeptivität verantworten können. Wir würden uns mit Malabou jedenfalls dem Unmöglichen im Sinne Derridas zuwenden, indem nämlich ihr Ansatz selbst gleichzeitig die Grenzen des Programms der Dekonstruktion Derridas zu überschreiten versucht.

Die Dissertation Malabous, welche sie im Gespräch mit Derrida verteidigte, fußt auf Hegels Begriff der Plastizität und damit auf der allgemeineren philosophischen Frage, ob und wie sich Hegels Konzept der Plastizität im Speziellen bzw. schon einmal dekonstruierte philosophische Konzepte bzw. Metaphysiken wiederentdecken bzw. wiederbeleben ließen, eingedenk ihrer einstigen Dekonstruktion, im Sinne eines Ereignis des Wiederentdeckens bzw. Erfindens, welches mit Derrida jenes erfinde, welches da war, ohne je da gewesen zu sein (vgl. Malabou 2011a: 79): „it is a question of finding […] for the first time what was always there and what had always been there, to find again“ (ebd.: 79). Der Begriff der Plastizität fußt dabei selbst auf dem Begriff des Wiederentdeckens (engl. rediscovery), insofern er den Heilungsvorgang – „to recover: to heal, to return, to relocate a lost object or to return to a normal state“ (ebd.) – und die Neuentdeckung/-erfindung (to discover), als zugleich aktive und passive Bewegung (vgl. ebd. S. 80) in sich vereint.

Hegels Konzept der Plastizität zurückkehren zu lassen, hieße vor diesem Hintergrund, nicht der Phantasie anheimzufallen, Hegel und sein Konzept der Plastizität könnten unberührt von ihrer Dekonstruktion wiederkehren. Folglich erfordere die Wiederentdeckung des schon dekonstruierten Begriffs der Plastizität darüber hinaus den Begriff der Dekonstruktion Derridas in ähnlichem Sinne zurückkehren zu lassen, nämlich im Sinne einer Trennung der différance von sich selbst, im Sinne einer inneren Dissidenz, welche die Dekonstruktion Derridas nicht bloß wiederholt, nachahmt oder reproduziert, sondern sie neu und different von sich selbst zu erfinden (vgl. ebd.: 80).

Malabou verdeutlicht ihre Gedanken anhand eines Satzes aus Hegels Phänomenologie des Geistes, welcher exemplarisch sei für den Begriff der Plastizität und besagt, dass: „Die Wunden des Geistes heilen und keine Narben hinterlassen“ (ebd.: 81).

Es gäbe nun drei verschiedene Lesarten dieses Satzes, nämlich eine dialektische (Hegel), eine dekonstruktive (Derrida) und eine post-dekonstruktive (Malabou) Lesart, welche jeweils ein unterschiedliches Verständnis von „recovery, healing, return, or regeneration“ (ebd.: 81) und damit des Begriffs des Originals aufweisen. Hegels Lesart lasse den Geist, wie Phoenix, der aus seiner eigenen Asche wiedergeboren werde, zu sich selbst in einer dialektischen Bewegung „erhöhter, besser, reiner“ (ebd.: 81) zurückkehren und zwar ohne dabei eine Spur, d. h. eine Narbe zu hinterlassen. Der Geist bzw. das Original sei hier als unhintergehbare Präsenz angesetzt.

Für Derrida hingegen gäbe es ausschließlich Narben im Text, welcher selbst immer schon bloße Spur sei und in welchem sich, wie in einem lebendigen Gewebe, alle Bewegungen des Geistes, d. h. alle Lesarten des Textes in Form von Narben einschrieben, wobei jede neue Lesart die Spuren und Narben der vorherigen aufhöbe und dennoch als Zeichen der vorherigen, aufgehobenen Lesart in Erscheinung trete. Für Derrida falle somit die Regeneration von lebendigem Gewebe/Text mit dem Prozess der Vernarbung und dem Einschreiben vom Gedächtnis der Wunde zusammen. Der Geist, das Selbst bzw. das Original seien dabei insofern konsistent bzw. inkonsistent, als dass die Ereignisse multipler Einschreibungen, gleichzeitig ausradierbar und nicht-ausradierbar seien und insofern gegen eine Wiederauferstehung, gegen den Begriff des Originals im Sinne einer dialektisch purifizierten Präsenz sprechen (vgl. ebd.: 81). Malabous Interesse am Begriff der Plastizität sei weder dialektisch (Hegel) noch textuell bzw. differentiell wie bei Derrida (vgl. ebd.: 82), sondern leite sich aus der regenerativen Medizin ab, welche Organe und Gewebe befähige, sich selbst zu heilen bzw. sich selbst zu regenerieren. Der Salamander sei eines der prominentesten Beispiele dieser selbst-generativen Prozesse und evoziere im Unterschied zum Phoenix (siehe oben) das Paradigma des Salamanders. Dieser transdifferentielle Prozess der Regeneration des Salamanders bzw. der identischen Rekonstitution eines abgetrennten Schwanzes, welcher nachwächst, ohne Narben zu hinterlassen, mit welchem bestimmte Stammzellen unterschiedliche Spezifizierungen ausprägten, d. h. zu anderen Zellen werden (Hautzellen zu Nerven- oder Muskelzellen), lasse den Begriff der Plastizität in einer neuen Weise begreifen und zwar weder im dialektischen noch im Sinne der différance bzw. im Sinne einer textuellen Logik (vgl. ebd.: 82). Dieser Recovery-Prozess (vgl. ebd.) sei keine Aufhebung (Hegel) und auch kein Prozess des Webens (Derrida), sei weder Wiederauferstehung noch ein Prozess des Einwirkens von heilenden Substanzen, des Transplantierens, d. h. des Einwirkens von außen. Es handele sich vielmehr um einen Prozess, welcher sich aus einem vorzeitlichen Gedächtnis speise, welches noch älter sei als die Metaphysik (vgl. ebd.: 82).

Wo Hegels Begriff der dialektischen Plastizität bzw. das Paradigma des Phoenix eine konstante Regeneration von Präsenz impliziere, im Sinne eines Ausradierens von Defekten, d. h. im Sinne einer Absage an Absentes, im Sinne einer Regeneration eines superioren Lebens bzw. Wesens, da verweise Derridas Paradigma des Gewebes/Textes, welches bestimmt sei von dem Prozess der Vernarbung, im Sinne eines Ausradierens von Narben/Lesarten durch nächste Narben/Lesarten, auf die eigentliche Unmöglichkeit von Präsenz, im Sinne einer Vervollkommnung von Präsenz (vgl. ebd.: 84). Absenz bzw. Präsenz als Absenz, d. h. das Ausradiert-Sein und -Werden und somit die Ortlosigkeit, seien konstitutives Simulakrum für das spurenhafte Selbst/Spurenhafte selbst, welches bei Hegel dialektisch auf eine Vervollkommnung von Präsenz, auf ein konsistentes und damit präsentes Selbst im Sinne eines superioren Geistes abhebe.

Während Hegels Paradigma auf die Essenz einer Präsenz auf eine Form abhebe, stelle sich die différance als ohne Essenz, d. h. als Paradigma der Spur, des Textes dar und könne somit auch keine nicht-textuelle Präsenz denken – erreiche somit nie die Klarheit einer Form, sondern stelle sich als immer komplexer werdendes Gewebe von Texten dar (vgl. ebd. 84). Für Derrida schließe der Begriff der Plastizität aus, dass er anders als mit dem Verlangen nach der Herstellung einer absoluten Präsenz konnotiert sein könne, denn immer würde diese, das, welches sie sich zu heilen anschickte, verinnerlichen, aufheben, idealisieren, vergeistigen, d. h. sich in Form einer graphischen Differenz – eines performativen Widerspruchs, als Wunde in den Heilungsprozess, als uneigentliche Spur in die Wiederherstellung des Eigentlichen/ spurlos Präsenten einschreiben.

Hingegen führt Malabou an, könne man den Begriff der Plastizität von dem Begriff der Präsenz und damit von einer Auferstehung eines positivistischen Originals loslösen, wenn man die zellulare Biologie, d. h. die regenerativen Zellbildungsprozesse von Salamandern, bestimmten Würmern und anderen entsprechenden Tieren, heranziehe. Bei diesen ließen die regenerativen Heilungsprozesse bzw. die heilenden Wunden keine Narben zurück. Der amputierte Schwanz einer Echse wachse zurück ohne eine Narbe, eine Spur zu hinterlassen, ohne dass man in diesem Fall von einer dialektischen Aufhebung reden könne, welche das Leben zu einer superioren Form erhebe. Es handele sich somit nicht um eine Rekonstitution von Präsenz, welche im Sinne des Phoenix, der auf ewig identisch aus seiner Asche auferstehe, Unendlichkeit impliziere, sondern sei als eine finite Überlebensstrategie vielmehr Ausdruck von Endlichkeit, da das Neuwachsende nicht die Endlichkeit selber, so wie Hegel es beabsichtigte, überwinde (vgl. ebd.: 85). Zwar sei die Regeneration des Salamanders in diesem Sinne mit Derridas Begriff des Supplements vereinbar, welches dem Wert der Präsenz widerspreche, doch gleichzeitig überschreite diese Art des regenerativen Supplements die Logik der Différance, d. h. das Paradigma des Textes/Gewebes (vgl. ebd.: 85). Vor dem Hintergrund erwähnt sie die Bemühungen der regenerativen Medizin, welche versuche, das Potenzial der Stammzellen zu nutzen, indem sie die evolutionär eigentlich für den Menschen erfolgreichere Vernarbungsstrategie von Zellbildungsprozessen hemme, um etwa Organe im Sinne der regenerativen Kapazität des Salamanders zu züchten.

Abweichend von Hegels Präsenzbegriff könne man sagen, dass Stammzellen, welche die Spezialisierung in bestimmte zellulare Funktionstypen überschritten, indem sie potenziell unterschiedliche zellulare Spezialisierungen ausprägen könnten, im Körper die Präsenz eines Potenzials hätten, welches jederzeit überraschend und Limit überschreitend, in Form einer Art Reserve von Präsenz, in der Lage seien, plötzlich zu explodieren und damit Konzepte wie Teleologie, Bestimmung und Bedeutung von Grund auf zerrütteten (vgl. ebd.: 86). Dieses Potenzial radiere somit das Paradigma des Textes/Gewebes/der Spur bzw. der Unmöglichkeit von Präsenz aus, wie es etwa im „genetic programming“ (ebd.: 86) zum Einsatz käme, welches nach Derrida eine Art zellularen Schreibens sei und damit die textuelle Logik auf leibkörperliche Prozesse ausdehne. Das Konzept der Plastizität werde heute in eben diesem Sinne eingesetzt, nämlich als Kapazität von Zellen, ihr eigenes Programm zu ändern, d. h. aus ihrem eigenen Text auszubrechen bzw. sich von sich als Text zu lösen (vgl. ebd.: 87).

Entsprechend schreibt Malabou:

The therapeutic and ontological work of plasticity disturbs the dialectical work of auto-reparation of the absolute, as well as the motifs of writing and textuality in general. Reparation here comes neither from the same nor from the other. Because of this complexity, it appears not only as the supplement of the supplement, a simple replacement of writing. It no longer belongs to the era of metaphysics but it likewise announces a change of system of the supplement itself. […] Plasticity takes over from the regeneration of the spirit for Hegel, from the displacement of the letter for Derrida. I call plasticity the resistance of difference to its graphic reduction. Or, if you prefer, that which is not present in difference but also does not write itself. That which is not present, is not absent, is not written (ebd.: 87).

In eben diesem Sinne könne Hegels Begriff der Plastizität wiederentdeckt werden, indem nämlich die Dekonstruktion selbst dekonstruiert werde, so dass Derrida zum Schluss sich selbst hätte eingestehen müssen, dass dort etwas Nicht-Dekonstruierbares sei, welches von der Ordnung der Präsenz sei und gleichzeitig aber sicherlich eine Form des Widerstands zum Text sei – eine existierende Substanz, welche weder im Sinne einer Parousia, d. h. eine herrschaftliche bzw. gebieterische, absolute Präsenz hätte, noch mit der unnachlässigen Bewegtheit einer graphischen Differenz verwechselt werden könne (vgl. ebd.: 87).

In diesem Sinne zeigt sich der Begriff des Originals meines Erachtens nicht mehr bloß in Form einer dekonstruierbaren Parousia, welche dekonstruiert in der jeweiligen spezifischen Anwendung, einer textuellen Logik unterliegend, sich als Supplement/Text-Narbe in das vernarbte Gewebe aller anderen textuellen Orientierungsversuche des Narrativs der Didaktik einschreiben und damit dem Diktum, sich kein Bild machen zu können, auch insofern widerspricht, als dass es hier vornehmlich um das Programm des Sich-einen-Text-Machens zu gehen scheint.

Es gibt scheinbar mit dem wiederentdeckten Konzept der Plastizität innerhalb der Anwendung etwas, das das Programm der Dekonstruktion noch selbst dekonstruiert und damit die Frage der Didaktik, der Kunst und der Anstrengung-die-Ich-selbst-bin noch anders aufstellt und vertieft – den Begriff der Anwendung auf diese Substanz hin wendet. Bildungstheoretisch bzw. kunstdidaktisch ist damit eine neue Art und Weise der Zuwendung zur Bildung des Selbst als eines Anderen, nämlich als eines plastischen Potenzials, d. h. einer plastischen Anwendung gewonnen. In „Ontologie des Akzidentiellen“, einem späteren Text Malabous weitet sie das Potenzial der Plastizität von ihrer regenerativen auf ihre zerstörerische Dimension, d.h. auf schlagartige zerebrale, plastische Wandlungen aus, welche so plötzlich einsetzten, dass man von einer explosiven Potenzialität sprechen müsse. Hier heißt es:

Die zerstörerische Plastizität ermöglicht es, die Dekonstruktion der Subjektivität zu radikalisieren und ihr eine neue Wendung zu geben. Diese Erkenntnis zeigt, dass sich im Mittelpunkt der Konstitution der Identität selbst ein Vernichtungsvermögen verbirgt […] die Einschreibung eines Todestriebes in das Gehirn [, welches/r] nicht nur bei Hirngeschädigten, Schizophrenen, Serienmördern, Traumatisierten […] sichtbar [würde, sondern] virtuell in jedem von uns als Bedrohung vorhanden [sei, bzw.] die Signatur eines Gesetzes des menschlichen Wesens [sei], das immer kurz davor zu sein scheint, sich selbst aufzugeben, sich selbst zu fliehen. Eine Ontologie der Modifikation [des Körpers bzw. menschlichen Wesens] muss in ihren Kern diesen besonderen Typus von Metamorphose aufnehmen, der eine Verabschiedung des Wesens von sich selbst [auf neuronaler, leib-körperlicher Ebene und damit auch psychisch/emotionaler] ist (Malabou 2011b: 44-45).

Malabou schließt das entsprechende Kapitel mit einem Zitat von Spinoza, welcher den Zusammenhang plastischer Veränderungen des Körpers und Neubildungen der mit diesem verbundenen Persönlichkeit bzw. Entsubjektivierungsprozessen zu ergründen versuchte: „was der Körper kann, hat bislang noch niemand bestimmt“ (ebd.: 45).

Literatur

Pazzini, Karl-Josef (2000): Kunst existiert nicht. Es sei denn als angewandte. Online: http://kunst.erzwiss.uni-hamburg.de/pdfs/kunst_existiert_nicht.pdf [09.10.2016].

Malabou, Catherine (2011a): Like a sleeping Animal: Philosophy between Presence and Absence. In: Dickhoff, Wilfried/Steinweg, Marcus (Hrsg.) (2011): INAESTHETICS. 2. Animality. Nr. 2, S. 79-90. Berlin: Merve.

Malabou, Catherine (2011b): Ontologie des Akzidentiellen. Berlin: Merve.

Von Daniel Wolff

Veröffentlicht am 19. April 2024

Zitiervorschlag

Wolff, Daniel: Plastische Anwendung. Kommentar zum Beitrag von Karl-Josef Pazzini, in: Zeitschrift Kunst Medien Bildung | zkmb 2024. Quelle: https://zkmb.de/plastische-anwendung-kommentar-zum-beitrag-von-karl-josef-pazzini/; Letzter Zugriff: 13.05.2024

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