Relationen und Konstellationen aktueller Mikroformate – theoretische Annäherungen

Zusammenfassung

Der Beitrag widmet sich Mikroformaten in den aktuellen Medienkulturen und nähert sich aus theoretischer Perspektive den komplexen Verbindungen und Konstellationen zwischen ihren Rahmenbedingungen, den Ausprägungen medialer Formen sowie den zugehörigen Praktiken ihrer Nutzer*innen an. Gerahmt werden diese Überlegungen von zeitdiagnostischen Befunden über die mit der Digitalisierung verbundenen technischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen sowie zu formattheoretischen Positionen, die zur Begriffsklärung herangezogen werden.

 

Beobachtungen

Auf einem Spielplatz in Berlin-Wilmersdorf an einem Montagnachmittag im Sommer 2017. Zwei Mädchen im Alter von circa 13 Jahren nehmen auf einer Parkbank Platz, ihre Smartphones halten sie in der Hand. Rund 20 Minuten lang spielen sie sich – für alle in ihrer Nähe hörbar – im Wechsel ihre Playlists vor und tauschen sich darüber aus. Gelassen klicken sie sich durch ihre Auswahl, und zwar mit einer Verweildauer pro Song von etwa drei bis fünf Sekunden – länger nur dann, wenn textsicher mitgesungen wird. Offenbar stellt diese hohe Taktung der Musikrezeption für sie nichts Ungewöhnliches dar. Ihre schnellen, knappen Reaktionen erscheinen angepasst an die kurzen Intervalle der angespielten Songs: Auf Kopfnicken, sobald der Song oder die Quintessenz des Liedes erkannt wird, folgen einzelne Worte als Kommentar oder gestische und mimische Bekundungen über Gefallen oder Missfallen.

Diese konzentrierte Aufmerksamkeit auf jene so kurzen Klangereignisse wird von beiden auffällig lange aufrechterhalten, ohne dass der Eindruck entsteht, diese Art der Musikrezeption in irgendeiner Weise als herausfordernd oder anstrengend zu empfinden. Vielmehr wirkt sie gewöhnlich, alltäglich, ritualisiert.

Was fällt an der geschilderten Situation auf ? Die beiden Teenager halten sich nicht an die vorgegebene zeitliche Form des Popsongs, sondern wählen kürzestmögliche Sinneinheiten, um sich über die Songs auszutauschen. Haben wir es nun bei der beobachteten Situation mit besonders medien- und musikaffinen Heranwachsenden zu tun oder zeigt sich hier womöglich ein Alltagsphänomen unter Peers? Sollte letzteres der Fall sein – ähnliche Phänomene lassen sich auch in anderen Alltagssituationen zwischen Jugendlichen beobachten –, dann mag dies dafür sprechen, dass wir es hier mit einer veränderten Praxis von Rezeption und Kommunikation über Musik zu tun haben könnten.

Auf der Ebene der Rezeption erinnern diese Handlungen ans Zappen, das schon länger bekannt ist, auch an die musikalischen Snippets, etwa im Sinne von Vorhörfunktionen, die mit der Digitalisierung von Musik eingeführt und mit den Musikstreaming-Plattformen zu einem Standard von Musikrezeption wurden, wenn man auf der Suche nach neuer Musik war und ist. Das vernetzte Smartphone macht die zuvor noch stärker an stationäre (Offline-)Abspielsituationen gebundenen Rezeptionsprozesse mobiler, komplett unabhängig von Ort und Zeit und ermöglicht in einem immerwährenden Onlinezustand gleichsam den Zugriff auf eine schier endlose Fülle an Musik.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob sich an diesem kommunikativen Umgang mit Musik etwas Symptomatisches zeigt, was auch für andere mediale Produktions-, Kommunikations- und Vermittlungszusammenhänge sowie Wahrnehmungsweisen unserer aktuellen digital-vernetzten Medienkulturen in ähnlicher Weise gilt, nämlich dass unsere Gegenwart von ,neuen‘ digitalen Formatlogiken, genauer von Mikroformaten und Mikroformatierungen bestimmt ist, die in die Rezeptions-, (Re-)Produktions- und Kommunikationsweisen hineinragen, diese prägen und transformieren.

Indem wir uns gezielt solchen durch Mikroformate geprägten Phänomenen der aktuellen digitalen Medienkulturen und Netzkulturen widmen, verhält sich unser Forschungsfokus in gewisser Weise komplementär zu einer Vielzahl von Arbeiten zu kleinen Formen, deren Entstehung deutlich vor der Einführung des Internets anzusiedeln ist und damit unter anderen medienkulturellen Rahmenbedingungen erfolgte. Im Gegensatz zu all den verschiedenen historischen kleinen Formen, wie sie in diversen Sammelbänden der Literatur-, Medien- und Kulturwissenschaft verhandelt werden (z. B. Autsch et al. 2014; Gamper & Mayer 2017; Hilzinger et al. 2002; Schuller & Schmidt 2003), weisen die Phänomene der aktuellen Medien- und Netzkulturen jedoch spezifische Eigenlogiken auf, die durch die komplexen vernetzten Konstellationen, in denen sie erscheinen, geprägt sind. Um diesen phänomenologisch adäquat begegnen zu können, bedarf es einer neuen theoretischen Rahmung, für die seit Mitte der 2010er-Jahre bereits verschiedene Vorschläge formuliert worden sind. So fragt etwa Sabiene Autsch in einem Forschungsbericht zur kleinen Form „nach dem oszillierenden und spannungsreichen Mit- und Gegeneinander kleiner Formen“ (Autsch 2016, S. 2) in der digitalen Medien- und Alltagskultur. Autsch schlägt den Begriff der Konstellation vor, um kleine Formen als Bewegungsfiguren fassen zu können, die stets andere Formen und veränderte Ordnungen provozierten. Der Begriff der Konstellation erscheint „im Vergleich zu Ordnungsmetaphern wie Dispositiv, System, Kontext, Netzwerk, Gewebe oder Konfiguration besonders geeignet, um interaktiv und intermedial verflochtene Phänomene, zirkulierende und zerstreute Bewegungen und polarisierende Bedingungen kleiner Formen und Formate sowie ästhetische und soziale Faktoren und Resonanzen sichtbar und als optische Figuren beschreibbar zu machen.“ (ebd., S. 3). Solche Konstellationen sind insbesondere bei Mikroformaten der aktuellen digitalen Medienkulturen zu beobachten, deren Gestalt durch die den jeweils spezifischen Gestaltungs- und Funktionsrahmen von Plattformen zwar vorstrukturiert bzw. ästhetisch vorgeprägt erscheint, aber gleichzeitig durch das intermediale Interagieren mit anderen kleinen wie großen Formen und Formaten hochdynamisch bleibt – man denke etwa an die mannigfaltigen Kürzestvideos auf TikTok (vgl. Beitrag von Pasdzierny und Wolf).

Um unsere Vermutungen und Überlegungen zu Mikroformaten weiter zu stützen, seien zunächst einige zeitdiagnostische Befunde vorausgeschickt, formattheoretische Anschlüsse dargelegt sowie die Mikropraktiken im Umgang mit ,klassischen‘ Formen analysiert. Die daraus abgeleiteten Überlegungen münden schließlich in erste theoretische Ansätze mit Blick auf Mikroformate und Mikropraktiken im Kontext aktueller Medienkulturen.

 

Zeitdiagnostische Befunde

Mit der weltweiten Einführung digital-vernetzter Technologien beginnt eine breite wissenschaftliche Reflexion der damit einhergehenden gesellschaftlichen Transformationsdynamiken, sodass mittlerweile eine Fülle von theoretischen Beschreibungen unserer Gegenwart vorliegt. Vor dem Hintergrund medientheoretischer Diskurse begreift man, dass sich die mit der Digitalisierung einhergehenden Veränderungen nicht nur auf den technologischen und ökonomischen Bereich beschränken, sondern sich auf alle Bereiche gesellschaftlichen Lebens auswirken. Der Soziologe Dirk Baecker spricht daher 2007 von der „nächsten Gesellschaft“, die auf dem Computer als geschäftsführender Medientechnologie basiert. Baecker geht dabei von der Vermutung aus, dass kaum etwas so große Bedeutung für die Strukturen einer Gesellschaft – gleichsam für Politik, Wirtschaft, Pädagogik sowie die symbolischen Formen der Kultur – habe wie die jeweils dominierenden Speicherungs- und Verbreitungsmedien. Folglich könnte die Einführung des Computers und des Internets für die Gesellschaft ebenso dramatische Folgen haben wie zuvor die Einführung der Sprache, der Schrift und des Buchdrucks (vgl. Baecker 2018). Die Wechselwirkung zwischen Technik und menschlichen Praktiken der Aneignung, oder auch zwischen aktiver (medien-)technischer Veränderung und ihrer passiven Nebeneffekte, wäre auf unterschiedlichen Ebenen und Bereichen gesellschaftlichen Lebens genau zu beobachten und zu untersuchen.

Entlang einer solchen Serie von Beobachtungen beschreiben Hans Ulrich Gumbrecht (2011) und Douglas Rushkoff (2013) in zeittheoretischer Perspektive ein neues Chronotop,[1] das Gumbrecht als „breite Gegenwart“ bezeichnet und die uns wiederum als in ihr lebende Menschen nach Rushkoff in einen „Jetzt-Schock“ versetze. Das Chronotop der breiten Gegenwart habe das historische Chronotop des 19. und 20. Jahrhunderts zum Übergang ins 21. Jahrhundert abgelöst und forme die Wahrnehmungs-, Erfahrungs- und Handlungsweisen der in ihm lebenden Menschen neu. Diese neuen zeiträumlichen Verhältnisse menschlichen Zusammenlebens und ihre Kommunikation seien nach Gumbrecht und Rushkoff in erster Linie der global vernetzten Digitaltechnologie geschuldet. Globalisierungsprozesse, digitaltechnologisch vermittelte Interaktionen und Kommunikation bewirkten die Erfahrung einer verbreiterten Gleichzeitigkeit. Mit jeder versendeten E-Mail, jeder besuchten Website, jedem geschriebenen oder gelesenen Tweet oder Post, einer SMS oder auch einem Bild oder Video u. a. m. vergrößere sich die Komplexität und Intensität des technischen und kulturell-symbolischen Netzwerks, in dem wir miteinander kommunizieren. In der breiten Gegenwart scheint alles, das digitalisiert und archiviert wurde bzw. werden kann, instantan, hier und jetzt, verfügbar (die Musikstreaming-Plattform Spotify stellt beispielsweise im September 2020 60 Millionen Musiktitel zur Verfügung). Sie lasse es aber gleichsam zunehmend schwerer erscheinen, sich als Gesellschaft, als individueller Mensch mit seinem Handeln in einer linearen Zeitlichkeit zu entwerfen, wenn im ,Echtzeit-Archiv‘ des Internets, insbesondere auf den Plattformen der Sozialen Medien, verschiedenste Informationen, Wirklichkeitsentwürfe und -deutungen gleichwertig nebeneinanderstehen. Wir sehen uns einer täglich anwachsenden, unüberschaubaren Menge an Informationen gegenüber, gleichzeitig, sich unterbrechend, oft widersprüchlich. Diese (mittlerweile nicht mehr ganz so) ,neuen‘ medientechnologischen und chronotopischen Bedingungen, die sich mit Carson Chan als Aspekte eines „Internet state of mind“ (2011) bezeichnen lassen, bringen wiederum neue, andere Praktiken der Wahrnehmung und Kommunikation hervor. So beschreiben Gumbrecht und Rushkoff die Entstehung neuer Kommunikations- und Erzählformen, die in immer kürzeren Einheiten prozessieren. Längere Narrative verschwinden und treten zurück hinter der seriellen Erfahrung flüchtiger Momente und Augenblicke. Gumbrecht (2011) beschreibt zudem an mehreren Beispielen, wie wir in aktuellen digitalisierten Kommunikationssituationen immer schon in verschiedenen Räumen und Zeiten zugleich eingelassen sind: Wir sind mit Freunden beim Essen in einem Restaurant oder auf einer Party und zugleich über das Smartphone in den virtuellen Kommunikationsräumen der Sozialen Medien potenziell in Echtzeit mit einer unbestimmten Menge anderer Menschen verbunden. Wahrnehmung und Aufmerksamkeit wären in diesen Situationen dementsprechend nur als geteilte denkbar. Beide Autoren, insbesondere Gumbrecht, machen in anthropologischer Perspektive darauf aufmerksam, welche Rolle der Körper bzw. die Körperlichkeit und die Materialität in einem Nachdenken über eine von Digitalisierung geprägten Gegenwart spielen könnte. In Bezug auf die Mikroformate und Mikropraktiken der digitalen Kommunikationsmedien, denen unser Interesse im Besonderen gilt, stellt sich also die Frage, wie die Rezipient*innen/Nutzer*innen als Wahrnehmende und Handelnde in ihnen eingebunden sind; wie sie diese Medien nutzen, mit ihnen gestalten sowie gleichsam von ihnen in Anspruch genommen und geprägt werden.

Der Kommunikationswissenschaftler Peter Vorderer hat zusammen mit einem Team von Wissenschaftler*innen 2015 in seinem Aufsatz „Der mediatisierte Lebenswandel – Permanently online, permanently connected“ erste Antworten auf diese Fragen formuliert. Sie gehen von der These aus, dass das mobile Breitbandinternet mitsamt den mobilen Endgeräten als „Universalwerkzeuge“ nicht nur die Möglichkeit bereitstelle, alle Dienste und Funktionen der Online-Kommunikation jederzeit und ortsunabhängig in Anspruch zu nehmen, sondern darüber hinaus – durchaus im Anschluss an die metatheoretischen Perspektiven von Baecker, Gumbrecht und Rushkoff – immens prägenden Einfluss auf alle Bereiche der kommunikativen Praktiken der Menschen und damit auch auf die Praktiken des Selbst habe. Die Menschen im Chronotop der digital vernetzten Medientechnologien nehmen wahr, fühlen, denken und handeln „permanently online, permanently connected“ (POPC). In dieser POPC-Umgebung haben die Nutzer*innen spezifische Praktiken, habituelle und kognitive Strukturen entwickelt, die ihre mobilen Endgeräte, ihre Kommunikationsbeziehungen und den Umgang mit Informationen im Laufe ihres täglichen Lebens betreffen. Sie können sich auf ihre „Al-ways-on“-Technologie und die mit ihr ausgebildeten Praktiken verlassen, um Probleme zu lösen, ihre Stimmungen zu managen und sich kontinuierlich kommunikativ mit anderen zu verbinden (Vorderer 2015).

Die Gruppe um Vorderer kann in vielen Bereichen der individuellen Verhältnisse zur Welt und zu sich selbst – wie dem Problemlösen, dem Beziehungshandeln, der Motivation und dem individuellen Selbstverständnis – Veränderungen feststellen, die sich als produktive Lösungen in der alltäglichen praktischen Auseinandersetzung mit den kommunikativen Verhältnissen in der POPC-Umgebung verstehen lassen. Wir können hier nur beispielhaft einige ihrer Ergebnisse nennen, wobei wir uns auf das kommunikative Beziehungshandeln beschränken (Vorderer 2015):

 

  • Eine permanente Erreichbarkeit ersetze räumliche Nähe als Grundlage von kommunikativem Beziehungshandeln: Breitbandinternet, Smartphone und Kommunikations-Apps machen nicht nur geografische Distanzen immer unbedeutender für den intersubjektiven Austausch, sondern ermöglichen es auch, innerhalb sozialer Situationen in physischen Räumen mit relevanten Anderen überall auf der Welt zu kommunizieren.
  • Parallel existierende, latente Konversationsfäden ersetzen Gespräche als geschlossene Form: Gegenüber klar abgegrenzten Gesprächsformen zeigen sich Konversationen in den aktuellen digitalen Medienkulturen vielmehr als latenter Dauerzustand, in dem die Grenze zwischen Kontakt und Nicht-Kontakt verschwimmt – immer wieder unterbrochen, aber auch permanent anschlussfähig und jederzeit
  • ,Liveness‘, in Form von visuellen, audiovisuellen Dokumentationen und Mitschnitten des Dabeiseins, ersetze die Nacherzählung: Mobile Endgeräte und ihre Funktionen (wie das Aufzeichnen und Teilen von Textnachrichten, Bildern und Videos in den Sozialen Medien) versprechen ihren Nutzer*innen, andere Menschen besonders intensiv und direkt/,live‘ an ihren Erlebnissen teilhaben zu haben. So ersetze eine Serie von Posts und foto- sowie videografischen Aufnahmen während des Ereignisses die Nacherzählung desselben aus zeitlicher

 

Insgesamt zeigen die Befunde, dass das intersubjektive Beziehungshandeln immer schneller, kleinteiliger, reversibler und komplexer wird sowie eine andere Form von Aufmerksamkeit verlangt.

Auch im kultur- und kunstwissenschaftlichen Diskurs zur Digitalisierung betonen Autor*innen in Begriffen wie „Kultur der Digitalität“, „Digital Condition“ (Stalder 2016, 2018) und „Postdigitalität“ (Cramer 2015, 2016), dass Digitalität nicht auf Medientechnologien, mediale Endgeräte oder digitale Netzwerke begrenzt werden kann, sondern unsere Kulturen und Gesellschaften in einem umfassenden Sinne durch dieselbe geprägt werden; dass sich digitale Praktiken und Konventionen in unserem Alltag etabliert haben und sich auch auf nicht-digitale Praktiken auswirken. Beispielhaft zeigt sich der neue, selbstverständliche Umgang mit der vernetzten digitalen Medialität, ihren Ästhetiken, den entsprechenden symbolischen Formen sowie den veränderten Produktions-, Distributions- und Rezeptionsbedingungen in der Kunst der Post-Internet Art (Herlitz & Zahn 2019; Meyer et al. 2019).

Ohne hier im Einzelnen auf die genannten zeitdiagnostischen Studien und ihre Unterschiedlichkeit genauer eingehen zu können, lässt sich diese Zusammenschau der Rahmenbedingungen auch auf die Breite kommunikativer Praktiken und ihrer innovativen Formate in den aktuellen Medienkulturen beziehen – dabei ist uns bewusst, dass diese Rahmenbedingungen in machtkritischer Perspektive wiederum diverse Unterschiede und Ungleichheiten, im Sinne der digital divides, hervorbringen können. Diese Formate sowie damit einhergehende ästhetische und kommunikative Praktiken der digitalen Kulturen lassen sich u. a. mit folgenden Aspekten fassen: Gleichzeitigkeit, Instantaneität, Verdichtung und Verkürzung, Beschleunigung, Konnektivität, Referenzialität, Serialität sowie Zirkulation.

Daran anschließend ergeben sich einige Annahmen und Fragen für eine Theorie der Mikroformate in den aktuellen Medienkulturen. Eine solche Theorie muss sich unserer Einschätzung nach in interdisziplinärer und medienökologischer Perspektive insbesondere für die technologischen, ökonomischen und ästhetischen Umgebungen und Rahmensetzungen (wie z. B. Plattformlogiken [2]) interessieren. Sie sollte ebenso die unterschiedlichen Möglichkeiten der Verbindungen des Kleinen, des Kurzen und Momenthaften jenseits der narrativen Verkettung in den Fokus nehmen: Wie werden in/durch/mit den Mikroformaten und Praktiken der Mikroformatierung sinnhafte Bezüge und Bewegungen in der Fülle der breiten Gegenwart erzeugt? Welche Eigenlogiken der Mikroformate werden durch die jeweiligen Plattformlogiken befördert und welche Dynamiken ergeben sich wiederum aus dem Mit- und Gegeneinander der Mikroformate? Und wie lernen wir (durch/mit den Mikroformaten), mit dem Momenthaften, mit Beschleunigung und maximaler Referenzialität umzugehen und diese zugleich zu erforschen?

 

Formattheoretische Anschlüsse

Spätestens seitdem Jonathan Sterne (2012) zur Entwicklung einer Formattheorie aufgerufen hat, ist ein gesteigertes kunst- und medienwissenschaftliches Interesse an der Auseinandersetzung mit Formaten zu beobachten (Fahle et al. 2020; Jancovic et al. 2019). Zwar weist die Beschäftigung mit Formaten in den Kunst-, Literatur- und Medienwissenschaften eine lange Tradition auf, allerdings liegen die Ansätze dazu bisher eher verstreut in Einzelstudien vor und waren nicht Gegenstand eines eigenen systematischen theoretischen Ansatzes (Müller 2014, Volmar 2020).

Die Thematisierung des Formatbegriffs umspannt einen weiten Phänomenbereich von konkreten technischen bzw. technologischen, medienindustriellen Setzungen und Regeln bis hin zu eher metaphorischen Verwendungen des Begriffs zur Beschreibung medialer Formen. Der Begriff ist dementsprechend breit, vage und schließt ein Bündel an technischen, ökonomischen, kommunikationsstrategischen sowie ästhetischen Kriterien ein, um Standardisierungen von und in Massenmedien zu erfassen.

Trotz seiner breiten, teils metaphorischen und auch alltagssprachlichen Verwendung ist der Formatbegriff gleichwohl ein technischer Begriff geblieben. Er wird zum ersten Mal im 17. Jahrhundert im Kontext des Buchdrucks verwendet (Müller 2014) und erfährt mit jeder Erfindung und Implementierung neuer Massenmedien, wie Radio, Kino und Fernsehen, sowie entsprechenden Strategien der Formatierung, neue Bedeutungsschichten. Pointiert formuliert: Mit jedem neuen Massenmedium bildete sich auch eine neue Auffassung und Kontextualisierung des Formats heraus. Diese Auffassungen haben sich im Laufe der Medienkulturgeschichte nicht abgelöst und ersetzt, sondern existieren nebeneinander. Im Anschluss an diese medienhistorischen Befunde geht man davon aus, dass sich auch im Kontext aktueller Netzkulturen weitere Formate herausgebildet haben und herausbilden werden, von denen sich einige – so unsere leitende These – als Mikroformate beschreiben lassen. Wie im medienwissenschaftlichen Diskurs ist folglich auch in künstlerischen und kunstwissenschafltichen Diskursen die Verwendung des Begriffs ähnlich heterogen wie die zeitgenössische Medienlandschaft selbst, die den Kontext der künstlerischen Praxis bildet (Stallschus 2013).[3]

Neben vielen Publikationen, die sich der medienkulturhistorischen Rekonstruktion verschiedener Formatierungsstrategien und -praktiken widmen, liegen mittlerweile in systematischer Perspektive auch einige Vorschläge für Definitionen des Formatbegriffs vor. Aus einer abstrahierenden Perspektive lassen sich zwei Pole beschreiben, zwischen denen sich der Diskurs um den Formatbegriff aufspannt: Zum einen sind da Definitionen, die die materiellen, technischen und ökonomischen Aspekte des Formats betonen und es damit als recht beharrliches Ergebnis eines medienindustriell geprägten Prozesses der Formatierung verstehen. Zum anderen gibt es Definitionen, die Medienformate vielmehr als dynamische und im Gebrauch veränderliche Muster beschreiben und sie damit in die Nähe zu Begriffen (wie Textsorte, Genre, Muster) rücken.

Folgt man, in einem ersten Schritt, einem Verständnis von Format, das stärker materielle, technische und institutionelle Aspekte betont, lassen sich Medienformate klar abgrenzen von medialen Formen, wie sie beispielsweise Gegenstand des medienmorphologischen Ansatzes von Rainer Leschke (2010) sind und auch von anderen Begriffen wie Gattung, Genre, Stil u. a. m., die ebenso Strukturierungs- und Ordnungsfunktionen medialer Darstellung und Kommunikation erfüllen. Axel Volmar pointiert diese Unterscheidung wie folgt:

„Obwohl mediale Formen […] ebenso wie Formate Ordnungsfunktionen erfüllen können, unterscheiden sie sich von Letzteren also möglicherweise dadurch, dass sie als Mittel zur Strukturierung medialer Anschauung und Darstellung Formen in Medien darstellen und Formate demgegenüber tendenziell eher als Formierungen von Medien verstanden werden könnten.“ (Volmar 2020, S. 22)

Eben gerade durch ihren präskriptiven Charakter im Sinne vereinheitlichender Modelle, Standards oder Regelwerke unterscheiden sich Formate von Begriffen wie Gattung, Genre und anderen Mustern sowie von ,künstlerischen‘ Stilen. Der Literatur- und Medienwissenschaftler Michael Niehaus (2018, S. 54ff.) stärkt diese Definition und betont zudem die Festigkeit und Starrheit von Formaten im Vergleich etwa zu Genres, die sich in einem kontinuierlichen Prozess des Wandels befinden: „Formate ändern sich eben nicht mit der Zeit, sondern – wenn sie nicht abgeschafft werden – sprunghaft (also nicht natürlich)“ (ebd., S. 55). Niehaus grenzt sich damit deutlich ab von dynamischeren Konzeptionen des Medienformats, wie sie beispielsweise Bucher et al. (2010) vertreten. Sie verstehen Medienformate wiederum als dynamische und im Gebrauch veränderliche Muster und schlagen den Begriff eher als Alternative zu Begriffen wie Darstellungsform, Textsorte, Genre, Regel oder Muster vor, die auch herangezogen werden, wenn es darum geht, die Stabilität kommunikativer Ordnungen zu beschreiben.

Einen integrativen Definitionsvorschlag des Formats macht Volmar (2020), der darin präskriptive Strategien der Formatierung und eher situative Praktiken des Formatierens, normative Konzeption und praktische Konkretion miteinander verbindet:

„Ein Format kann daher als medienindustriell motivierte Form bestimmt werden, die durch auf äußere Zwecke zielende Strategien der Formatierung hervorgebracht wird und als Formatierungsanweisung die spezifische Formgebung und Binnenstrukturierung von Medien und Medienprodukten in Form von Arbeit bzw. Praktiken des Formatierens nach sich zieht. Der Zusammenhang zwischen normativer Konzeption und praktischer Konkretion sowie zwischen Außenbezügen und Binnenstrukturen ist aufgrund ihrer kausalen Verschränkung für das Verständnis von Formaten zentral […].“ (Volmar 2020, S. 29)

Man kann also sagen, dass einerseits die Entstehung von Formaten auf Strategien der Formatierung von Medien zurückgeht, die nicht primär auf die Binnenstrukturierung medialer Formen und Texte zielen, sondern durch die Festlegung elementarer Parameter, etwa im Hinblick auf Größe oder materielle Qualität, außerhalb der jeweiligen medialen Texte liegenden Zwecken dienen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Studie von Jonathan Sterne (2012) zur Entwicklung des MP3-Formats. Es ist keine Übertreibung, die Entwicklung und kommerzielle Implementierung dieses Audiokompressionsformats als eine der bedeutendsten Transformationen unserer Wahrnehmungspraktiken in den digitalen Medien- und Klangkulturen zu betrachten. Sterne rekonstruiert u. a. die ökonomischen und industriellen Interessen, die die Konstruktion von MP3 geleitet haben und analysiert die Strategien der Formatierung des technischen Systems, in das es eingebettet ist. Der Erfolg dieses Formats beruht auf der Tatsache, dass dank der entwickelten Kompressionsalgorithmen z. B. ein Musikstück auf ein Zehntel seiner Daten reduziert werden kann, was ein Zehntel der Übertragungskosten über das Telefonnetz bedeutet. Große Telekommunikationsanbieter sparen so rund neunzig Prozent der Kosten für die Datenlieferung. Dieses Geschäftsmodell verdankt sich wiederum der Berechnung und Kontrolle der menschlichen Sinne sowie der erfolgreichen Gewöhnung der Verbraucher*innen an standardisierte Formate. Die Entwicklung von MP3 basiert auf psychoakustischen Erkenntnissen und Praktiken, die Sterne mit dem Begriff der perzeptuellen Kodierung fasst. Sie operiert mit einem mathematischen Modell der Lücken innerhalb des menschlichen Hörspektrums, auf dessen Grundlage der MP3-Kodierer Sounds und Töne analysiert und alles entfernt, was Menschen nicht hören werden. Mit anderen Worten: Der psychoakustische Komplex aus ökonomischen, medienindustriellen Interessen und wissenschafltichen Erkenntnissen, der zur Entwicklung und erfolgreichen Implentierung des MP3-Formats in den Medien- und Klangkulturen geführt hat, ist nichts anderes als die folgenreiche Entscheidung darüber, was Menschen nicht unbedingt hören müssen.

In performativer Perspektive andererseits treten Praktiken des Formatierens in den Fokus, die sich als Ausdifferenzierung in und durch die Medienpraxis vollziehen und sich auf Formgebungen bzw. konkrete Gestaltungen von Medien und medialen Artikulationen richten. Diese Binnendifferenzierungen können wiederum eigene mediale Formen – im Sinne von Leschkes Medienmorphologie – ausprägen. Formatierung kann hier als Prozess der Sedimentierung von Nutzungs- und Arbeitspraktiken verstanden werden. Hier könnte auch in kritischer Perspektive untersucht werden, welche kulturellen Vorannahmen, Stereotypen etc. sich mittels der Mikropraktiken des Formatierens in solche digitalen Mikroformate einschreiben (vgl. Fahle et al. 2020, S. 12f.). In dieser Perspektive erscheint die Beschränkung und Vorstrukturiertheit, der die Mikroformate an der Schnittstelle von Medium und Form unterliegen, zugleich und vielmehr als Gestaltungsspielraum. In diesem Spielraum werden konkrete Praktiken des Umgangs mit der vorgängigen Formatiertheit möglich. Das sind Verhaltensweisen von begrenzter Reichweite, die zum Beispiel das Ausprobieren, das Einüben, die Variation, die Subversion und die Parodie sowie andere Remix-Strategien in ihren verschiedenen Spielarten erlauben. Medienformate der aktuellen digitalen Netzkulturen stellen also die notwendigen Formen der Strukturierung und Bereitstellung von Medien dar, die zwischen materiellen und technischen Infrastrukturen und den Praktiken ihrer Nutzer*innen vermitteln. Medienformate bestehen aus spezifischen Beschreibungen, technischen Anforderungen und Rahmenbedingungen, die die Anordnung und Präsentation von Informationen prägen, wie z.B. durch die einheitliche Gestaltung digitaler Dateiformate. Diese Beschreibungen wirken sich auf die ästhetischen Qualitäten von Medien aus und sie instruieren menschliche Benutzer*innen und technische Geräte, wie mit Medieninhalten umgegangen werden sollte.

Vor dem Hintergrund der skizzierten zeitdiagnostischen und formattheoretischen Überlegungen sprechen wir von Mikroformaten, die sich zusammen mit der Einführung digital-vernetzter Medientechnologien, dem Internet und insbesondere der Sozialen Medien entwickelt haben. Sie sind zuerst als spezifische Strategien der Formatierung rekonstruierbar, die in einem komplexen medienindustriellen Prozess entwickelt und implementiert wurden (wie bspw. GIF, JPG, MP3, MPEG-4). Diese eher materiellen, technologischen Standardisierungen und Regeln bilden zusammen mit entsprechenden institutionalisierten Vorgaben auf den Internet-Plattformen die Rahmenbedingungen für sich ausdifferenzierende Praktiken des Formatierens bzw. Mikropraktiken und damit entstehende mediale Formen mit wiederum sehr spezifischen Erscheinungsformen und Ästhetiken, wie z.B. die Gif- und Meme-Kulturen oder die verschiedenen Genres von audiovisuellen Bewegtbildern in Form von Kürzestvideos auf Plattformen wie TikTok, als Insta-Stories oder als travel boomerangs u.a.m. Mit anderen Worten: Durch die Mikroformate und ihre Vorgaben entstehen in den digitalen Medienkulturen auch neue Gestaltungsspielräume im Sinne von konkreten Mikropraktiken, die sich fluide innerhalb der vergleichsweise starren medienindustriellen Vorgaben bewegen, sich ausdifferenzieren, transformieren und auch über verschiedene Plattformen hinweg transversale Bewegungslinien und Verknüpfungen provozieren. Kurz gesagt: Innerhalb eines Mikroformats sind mannigfaltige Ausdifferenzierungen medialer Formen zu beobachten. Wenn wir also im Folgenden von „Mikroformaten“ sprechen, dann bezeichnen wir damit die komplexen Verbindungen und Konstellationen zwischen den technischen, ökonomischen sowie ästhetischen Rahmenbedingungen, ihren phänomenalen Ausprägungen in Form von Medieninhalten sowie den zugehörigen Praktiken ihrer Nutzer*innen. Damit stellen wir die Relationierungsweisen der Mikroformate in den Mittelpunkt unserer theoretischen Überlegungen.

Eine Forschung an den komplexen Mikroformaten sollte folglich aus interdisziplinärer Perspektive sowohl die rahmenden Formatierungen als auch die fluiden, hochkonnektiven medialen Formen fokussieren. Letztere lassen sich, sobald sie in netzkulturellen Medienpraktiken eine gewisse Stabilität erlangt haben, als networked objects, als metastabile Konstellationen heterogener Elemente beschreiben und analysieren. Nicht zuletzt könnte eine solche Forschung im Anschluss an den hier skizzierten Begriff des Mikroformats untersuchen, wie Mikropraktiken – im Sinne von Produktions- und Rezeptionspraktiken, die im Kontext von digitalen Mikroformaten eingeübt und habitualisiert wurden – auf ,klassische‘ Formate und mediale Formen übertragen und angewendet werden.

 

Mikropraktiken im Umgang mit ,klassischen‘ Formen

Wie die eingangs beschriebene Anekdote bereits deutlich werden lässt, finden sich beim alltäglichen Umgang mit Medienformaten und medialen Formen – deren Etablierung und Festigung zeitlich deutlich vor dem Internet und seiner Medienkulturen anzusiedeln ist und hier mit dem Begriff ,klassisch‘ gefasst wird – aktuell diverse Mikropraktiken auf Seiten der Rezipient*innen vor. Mit dem Begriff „Mikropraktiken“ fassen wir all die Umgangsweisen mit medialen Formen jedweder Dauer, die von Verkürzungs-, und Verdichtungsstrategien – wie z.B. Skipping und Scrolling bzw. Sampeling, Looping und Mash up – gekennzeichnet sind. Im genannten Beispiel verkürzen die beiden Mädchen durch ihr Weiterklicken (Skippen) die mehrminütige Form der Popsongs auf wenige Sekunden, reduzieren diese also auf die kürzestmögliche Sinneinheit, die den Teenagern offenbar ausreicht, um sich eine Vorstellung vom Song zu machen. Vermutlich tragen bereits die wenigen Sekunden so viel Informationen in sich, dass sie entweder die Erinnerung an einen bereits bekannten Song wachrufen oder aber Annahmen über das Spezifische des Gehörten über einen Abgleich mit Hörerfahrungen zulassen. Womöglich ist das (implizite) Wissen der Mädchen um Produktionsspezifika, musikalische Genres und andere Parameter von Popsongs durch das tägliche Musikhören bereits so ausgeprägt, dass diese musikalischen Fragmente tatsächlich weitreichende Rückschlüsse etwa auf Form und Ausdruckscharakter des Songs zulassen, indem das Spezifische des Songs innerhalb kürzester Zeit erfassbar ist.

Damit wäre die Praktik des Skippens womöglich weniger verkürzten Aufmerksamkeitsspannen geschuldet, sondern vielmehr auf den effektiven Umgang mit und die hohe Kenntnis von populären Formen zurückzuführen, die durch eine intensive Mediennutzung erworben worden ist. Die Tatsache, dass heutzutage via Smartphone auf Millionen von Medieninhalten direkt zugegriffen werden kann, dürfte diesen Kompetenzerwerb erheblich begünstigt haben.[4] Man darf gespannt sein, welche Ergebnisse empirische Studien in den nächsten Jahren hierzu liefern werden.

Die veränderten digitalen Rezeptionspraktiken im Netz mit ihren verkürzten Zugangs- und Auswahlstrategien – etwa mittels Skipping nach wenigen Sekunden oder Sampling – könnten mehr und mehr auch auf ,klassische‘ Formen zurückwirken, und zwar mit Blick auf Länge, Struktur und Ereignisdichte. Anhand zweier Plattformen aus dem Musik-Bereich seien die komplexen Zusammenhänge zwischen rezeptiven und (re-)produktiven medienkulturellen Praktiken verdeutlicht.

Während die Musiknutzer*innen beim Kennenlernen von Musik offenbar auf sehr kurze Anspielzeiten zurückgreifen, erfolgt bei der Musikstreamingplattform Spotify, die aktuell mit weltweit rund 300 Mio. Nutzer*innen Marktführer ist, die Vergütung der Komponist*innen erst nach einer Abspieldauer von 30 Sekunden. Die Urheber*innen stellt diese an sich willkürliche Festsetzung der Vergütungsmarke vor enorme Herausforderungen. Denn dieser Logik nach sollte die Zeit zwischen zwei Entlohnungspunkten möglichst kurz gehalten werden. Ein Beispiel: Hört jemand 30 Minuten lang die Playlist einer Band auf Spotify, so erhalten die Urheber*innen bei Songlängen von durchschnittlich 2:30 min. zwölf Mal Tantiemen, bei Songlängen von durchschnittlich 3:30 min. nur knapp neun Mal. Die Vergütungsstrategien von Streaming-Plattformen begünstigen also möglicherweise Kompositionsstrategien, die auf Verdichtung, Vorwegnahme und Verkürzung ausgerichtet sind.

Dieses könnte ein Grund dafür sein, dass in den vergangenen Jahren die Songs tendenziell kürzer werden, indem etwa auf eine dritte Strophe verzichtet wird oder aber die Songbestandteile selbst verkürzt werden (vgl. den Beitrag von Neuhaus und Keden). Gleichzeitig hat sich die Ereignisdichte der Songs während der ersten 30 bis 40 Sekunden in den vergangenen Jahren wesentlich erhöht, indem Intros verkürzt und Refrains – als vormals dramaturgischer Höhepunkt – der ersten Strophe vorgeschaltet sind, sodass die ,Quintessenz‘ des Songs innerhalb kürzester Zeit erfasst werden kann. Ziel ist es offenbar, die ,Catchiness‘[5] der Komposition zu Beginn zu maximieren, um die Rezipient*innen beim ersten Höreindruck bereits so stark zu affizieren, dass sie im Idealfall länger als 30 Sekunden verweilen.[6]

Als zweites Beispiel sei näher auf die Musik-Video- und Social-Media-App TikTok eingegangen, die mit weltweit rund 800 Mio. Nutzer*innen aktuell zu den einflussreichsten Plattformen im Netz zählt und sich gerade bei (Prä-)Teenagern und jungen Erwachsenen großer Beliebtheit erfreut. TikTok ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich die Mikropraktiken im Umgang mit etablierten Formen nicht nur auf aktuelle Rezeptionspraktiken beschränken, sondern auch (re-)kreative Praktiken im Netz einschließen. TikTok basiert auf der Produktion von Kürzest- videos, die zumeist nicht länger als 15 Sekunden (bis zu 60-sekündige Clips sind möglich) und häufig mit Musik unterlegt sind. Die Auswahl der Musikausschnitte stammt dabei nicht nur von den Nutzer*innen selbst. Denn innerhalb der Gestaltungsoberfläche für die Videoproduktion bietet TikTok einen umfangreichen Fundus vorgefertigter Musikvorschläge an. D.h., auf der Basis von Algorithmen wird Musik auf passende Sinnabschnitte hin analysiert und der Mikroformat-Logik entsprechend zugeschnitten. Hierbei gilt das Primat der Kürze. Wie genau solche Algorithmen bzw. Vorschlagssysteme arbeiten, wird von TikTok nicht transparent gemacht. Auffällig ist jedoch, dass die Musikausschnitte eine in sich geschlossene Sinneinheit bilden, die zur Wiederholung einlädt und somit der Präsentation der Clips im Dauerloop entspricht. So werden etwa musikalisch markante Sequenzen mit entsprechenden Textierungen ausgewählt, zu denen die Bildinhalte rhythmisch und atmosphärisch in Einklang stehen oder sogar – wie etwa bei Tanz- und Lipsync-Videos – direkt aufeinander bezogen sind.

Miriam Zeh (2020) weist darauf hin, dass bereits Rückwirkungen auf die Musikproduktion zu beobachten sind, indem bestimmte Formbestandteile eines Songs so komponiert und produziert werden, dass sie einer ,TikTok-Mikrodramaturgie‘ entsprechen und als ca. 15-sekündige Sinneinheit (von Musik und Text) passgenau aus dem Song herausgelöst und auf TikTok als auditiver oder audiovisueller Loop platziert werden können. Gesicherte Befunde zu solchen Rückwirkungen bilden derzeit aber noch ein Forschungsdesiderat.

Zusammenfassend lässt sich also die Hypothese aufstellen, dass ,klassische‘ mediale Formen – wie etwa Popsongs –, deren Etablierung unter gänzlich anderen medienkulturellen Rahmenbedingungen stattgefunden hat, immer stärker in den Sog der aktuellen Medien- und Netzkulturen und ihrer Logiken geraten und damit (in Teilen) an Eigenständigkeit einbüßen. Eine Medientheorie, die auf die Spezifik der jeweiligen Gestaltungsformen abzielt (wie etwa von Greenberg 1997), würde diese aktuellen Dynamiken dann nicht mehr widerspiegeln und verlöre damit an Beschreibungskraft.

 

Theoretische Schlussfolgerungen

Die zuvor dargelegten theoretischen Aspekte und Beispiele verdeutlichen, warum es eines neuen theoretischen Rahmens bedarf, um die aktuellen Mikroformate und -praktiken innerhalb der Netzkulturen in ihrer ästhetischen Eigenart phänomenologisch fassen zu können. Denn wenn die Mikroformate und ihre medialen Formen nicht länger auf größere Narrative verweisen bzw. in Relation zu ihnen stehen, sondern vielmehr als momenthafte, zirkulierende, hoch dynamische Bewegungsformen der Logik der Vernetzung sowie kontinuierlicher De- und Rekontextualisierung folgen, dann verlieren vorliegende Theoriefiguren wie Einzelmedium, Medienspezifik, Narration, pars pro toto u. a. m. zusehends ihre Beschreibungs- und Unterscheidungsfunktion.[7] Um nun aber die Spezifika der mitunter höchst heterogenen Mikroformate fassen zu können und zugleich übergreifende Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Mikroformaten und -praktiken sichtbar zu machen, erscheint es hilfreich, sich ihnen in einem interdisziplinären und auch medienökologischen Ansatz zu nähern, der sowohl die materiellen, medienindustriellen und institutionellen Strategien der Formatierungen als auch die zugehörigen Mikropraktiken und die Dynamik der sich ausdifferenzierenden medialen Formen in ihrer wechselseitigen Bezogenheit aufeinander analysiert und beschreibt. Wir schlagen dazu vor, die phänomenologische Beschreibung der Mikroformate innerhalb des skizzierten theoretischen Rahmens – und in Anschluss an Autsch (2016) – entlang ihrer spannungsvollen Konstellationen, die sie als networked objects bilden, zu versuchen.

Um die Breite möglicher Forschungsperspektiven anzudeuten, wollen wir zunächst einige Beispiele für mögliche Forschungsperspektiven auf das komplexe Feld der Mikroformate umreißen, um dann einige Aspekte aufzuzeigen, die unser Ansicht nach geeignet sind, Mikroformate in ihren Konstellationen zu beschreiben.

 

Forschungsperspektiven

Zum jetzigen Zeitpunkt ergeben sich aus unseren wissenschaftlich-disziplinären Interessen und Ausrichtungen, aus der intensiveren Beschäftigung mit einzelnen Mikroformaten sowie aus unseren gemeinsamen theoretischen Vorüberlegungen fünf komplementäre Forschungsperspektiven, die man in Bezug auf das Feld der Mikroformate und -praktiken einnehmen könnte:

 

  1. Die erste Perspektive fokussiert und analysiert die jeweiligen materiellen, technologischen, ökonomischen, also medienindustriellen Rahmensetzungen der Mikroformate und befragt sie dann in einem weiteren Schritt in ihren Wechselbeziehungen zu den dynamischen medialen und kulturellen Formen sowie zu den Mikropraktiken, die durch sie entsteht. Die Mikroformate kommen so gleichsam als rahmende Begrenzung und als Ermöglichung von je spezifischen Gestaltungsspielräumen ihrer Nutzer*innen in den Blick.
  2. An die erste Forschungsperspektive könnten komparatistische Forschungen anschließen, die sich den Unterschieden zwischen den Mikroformaten (in der zuvor skizzierten Komplexität von Plattformlogiken, medialen Formen und Praktiken ihrer Nutzer*innen) nähern. Fragen wären hier beispielsweise: Welche Eigenlogiken der Mikroformate werden durch die jeweiligen Plattformlogiken befördert und welche Dynamiken ergeben sich wiederum aus dem Mit- und Gegeneinander der Mikroformate? Welche Verbindungen und Übergänge stellen die Mikroformate zwischen verschiedenen Plattformen, z.B. den Sozialen Medien, her? Lassen sich intermediale und intertextuelle Verweise und andere Verbindungen von medialen Formen und Inhalten zwischen den verschieden Mikroformaten beobachten? Im Anschluß daran interessieren auch Transformationen, die sich in Kopiervorgängen von einem Medium, einem Mikroformat ins andere oder transversalen Bewegungen durch verschiedene Mikroformate ereignen.
  3. Weitere Forschungen bieten sich zur Übertragung von medienkulturellen Mikroformaten und -praktiken auf andere nicht-digitale Praktiken In den Blick gerät damit z.B. die Anwendung der im Umgang mit den netzkulturellen Mikroformaten eingeübten, habitualisierten Praktiken auf andere (analoge, ältere, unter anderen medienkulturellen Rahmenbedingungen entstandene) Medien und kulturelle Phänomene (wie im Abschnitt IV beschrieben).
  4. In medienpsychologischer Perspektive könnte es interessant sein, mögliche Veränderungen von Wahrnehmung (Blickbewegungen, Textwahrnehmung, u.a.m), Aufmerksamkeit und Kommunikationsverhalten der Nutzer*innen von Mikroformaten aktueller Medienkultur zu erforschen (vgl. Beitrag von Kaspar). Vergleichende Gegenüberstellungen von Mikroformaten mit anderen Formaten der Informationsdarstellung wären denkbar, die untersuchen, inwiefern kurze Darstellungen von Informationen hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Mediennutzer*innen vergleichbar mit ausführlicheren Informationsdarstellungen
  5. Nicht zuletzt könnten aus (medien-)pädagogischer Perspektive Fragen nach der angemessenen pädagogischen Thematisierung und Anwendung der Mikroformate, ihrer medialen Formen und ihrer zugehörigen Praktiken bearbeitet werden. In der Verzahnung einer lern- und bildungstheoretischen mit einer medienkritischen Perspektive könnte man sowohl an (medien-)psychologische Befunde, an Diskurse um den Begriff des ,Microlearning‘ (vgl. Beitrag von Hug) sowie Debatten um mobiles Lernen und Fragen medial vermittelter Transformationen von Selbst- und Weltverhältnissen anschließen. Fragen zur Entgrenzung des Lernens im Sinne einer Verschmelzung von formellen und informellen Lernkontexten, zur Bedeutung des affekthaften Charakters der Mikroformate für Lern- und Bildungsprozesse böten sich zur Bearbeitung an sowie die medienkritische Auseinandersetzung mit u. a. der kapitalistischen Verwertungslogik sowie Überwachungs- und Datenschutzproblematiken. Zudem könnten in fachdidaktischer Perspektive (z.B. Deutsch, Musik- und Kunstpädagogik) die Mikroformate und -praktiken als Gegenstand von ästhetischen Lern- und Bildungsprozessen untersucht werden (vgl. Beiträge von Kolb und Schmidt, Lell und Stähli sowie Neuhaus und Keden).

 

Konstellationsaspekte

So unterschiedlich die mikroformatisch gerahmten Phänomene auch sein mögen (vom Meme bis zum TikTok-Video), so ähnlich scheinen sich diese jedoch in ihren Konstellationen zu sein, die sie als networked objects eingehen. Wir verstehen unter Konstellationen metastabile Gebilde vernetzer Aspekte und Bestandteile, die durch performative Praktiken beständig stabilisiert oder verändert werden. Entsprechend können auch einzelne Aspekte der Konstellationen neu hinzutreten oder aber verschwinden. Grundsätzlich liegen diese Konstellationen transversal zu den zuvor beschriebenen Forschungsperspektiven. Übergreifend scheinen uns dabei folgende Aspekte relevant zu sein, die der jeweiligen rahmenden Formatierung sowie der Phänomenspezifik folgend unterschiedlich ausgeprägt und konstelliert auftreten dürften.

 

  1. Konnektivität: Den kleinen, kurzen und verdichteten Medienphänomenen in den unterschiedlichen Mikroformaten lässt sich eine hohe Anschlussfähigkeit ein hohes Vernetzungspotenzial zuschreiben. Mannigfaltige Verbindungen zwischen einem Element und vielen nächsten Elementen sind möglich. Damit einher geht das Potenzial zur Referenzialität und Serialität. Mikroformate bergen viele „Modi des Möglichen“ (Gamper & Mayer 2018, S. 18) in sich, bieten sich damit auch im Sinne der Affordanztheorie für unterschiedliche Nutzungsweisen an.
  2. Instantaneität: Durch die hohe Anschlussfähigkeit der Mikroformate und ihre medialen Phänomene und Inhalte, sind sie in der Lage, sich rasend schnell und multidirektional im Internet auszubreiten – und dort zu verweilen und zu Digitaltechnologisch vermittelte Interaktion und Kommunikation bewirken die Erfahrung einer verbreiterten Gleichzeitigkeit, in der alles, was digitalisiert, auf Computern archiviert, kommuniziert oder in den Sozialen Medien mit anderen geteilt wurde, auch instantan, hier und jetzt, häufig simultan in verschiedenen Medien, verfügbar scheint.
  3. Prozessualität: Aus der Konnektivität erwächst gleichsam ein Prozesspotenzial. Mikroformate und ihre medialen Formen können hohe Dynamiken bei ihrer Verkettung und Transformation entfalten, die uns unter dem Begriff der Viralität vertraut sind. Bei solchen Prozessdynamiken lassen sich mitunter auch Zerstreuungs-, und Verselbstständigungsphänomene
  4. Metastabilität: Im Zuge solch hochdynamischer Prozesse lässt sich ein Wandel (von Teilaspekten) der Mikroformate beobachten. Formale Stabilität erscheint daher nur für bestimmte Elemente und auch nur temporär denkbar. Indem die Mikroformate potenziell stets flexibel bleiben, besteht die Möglichkeit ihrer Mit dem Begriff der Metastabilität lässt sich dieser Zustand des Dazwischen fassen – des je spezifischen Verhältnisses von Bewegung und Stillstand, von Verflüssigung und Verfestigung, Stabilisierung und Destabilisierung.
  5. Performativität: Aus einer praxistheoretischen Perspektive verstanden als geronnener Ausdruck menschlicher und nicht-menschlicher Praktiken, aber auch Vorstellungen vom Menschen, seiner Körperlichkeit, weisen Mikroformate ein hohes Performativitätspotenzial auf. So ruft etwa die Nutzung einer Musikstreaming-Plattform andere zuhörende Subjekte hervor als etwa durch das Abspielen einer MP3-Datei, einer CD oder einer Schallplatte (Fahle 2020, S. 13).
  6. Intermedialität und -textualität: Mit ihren formgenerierenden Potenzialen wirken Mikroformate mehr und mehr auf ,klassische‘ medienkulturelle Formen ein – wie oben dargestellt – und befördern so deren Hybridisierung. Vormals dominierende Gattungslogiken Medienspezifika werden durch entsprechende Einschreibungen in Richtung einer intermedialen Vernetzungslogik transformiert. Die besondere Attraktivität und Popularität der mikroformatisch geprägten Formen als Gegenstand der Zirkulation und Kommunikation dürfte ihrer Kürze, semantischen Dichte bzw. Offenheit entspringen, die ihre ständige De- und Rekontextualisierung ermöglicht.

 

An den hier aufgezeigten Perspektiven einer Phänomenologie der Mikroformate samt ihrer konstellativen Aspekte wollen wir weiterarbeiten und streben die Untersuchung einzelner Mikroformate an, um die bisherigen, eher tastenden theoretischen Überlegungen zu erproben und weiterzuentwickeln.[8]

Vergewissert man sich abschließend noch einmal, wie viele neue Internet-Plattformen, wie viele Mikroformate in den vergangenen Jahren entstanden sind, die die zeitgenössischen Medienkulturen (mit)bestimmen, neue mediale Formen provozieren sowie menschliche Praktiken der Wahrnehmung und des Handelns, der Rezeption und Produktion prägen, so spannt sich ein Forschungsfeld auf, von dem sich kaum erahnen lässt, welche Entwicklungen zukünftig noch zu beobachten sein und wie diese wiederum unser Denken über Mikroformate verändern werden.

 

Anmerkungen

[1] Gumbrecht benutzt den Begriff in Anlehnung an den Literaturwissenschaftler Michael Bachtin, der den „Chronotopos“ als erzähltheoretisches Konzept einführt, um das Orientierungssystem, eine Art „Raumzeit-Gesetzlichkeit“, einer Erzählung oder anderer literarischer Texte zu Ein Chronotopos umfasst die rahmenden Bedingungen, die raumzeitlichen Ordnungen der erzählten Welt und gleichsam die zentralen Orientierungen der wahrnehmenden und handelnden Figuren.

[2] Der Begriff verweist auf Einflussmechanismen von Internet-Plattformen hinsichtlich Produktion, Distribution und Rezeption kultureller Güter. Siehe hierzu auch Nieborg und Poell (2018).

[3] Im kunsttheoretischen Diskurs bezeichnete man bis weit ins 20. Jahrhundert hinein mit „Format“ vornehmlich die Dimensionen und Proportionen von Gemälden, seltener von Skulpturen oder Architekturen (Schneckenburger 1973); Nicolas Bourriaud (2009) bringt mit dem Begriff des Formats alle nur denkbaren Mittel standardisierter Formgebung zwischen Kunst, Massenkommunikation und Alltag in Verbindung und David Joselit (2016) versteht den Formatbegriff in Anlehnung an Latours Konzept der Assemblage als ein Beziehungsgefüge von heterogenen Elementen und Kräften, das dazu in der Lage ist Muster, Verbindungen und Links zu erzeugen.

[4] Die Engführung der Auswahlprozesse etwa auf Musikstreamingplattformen durch algorithmusgeleitete Empfehlungssysteme und die damit verbundene Einflussnahme auf die Prägung musikalischer Vorlieben bilden dabei vermutlich die Kehrseite dieser Möglichkeitsräume.

[5] Die Idee der „Catchiness“ zu Beginn einer Komposition ist dabei keineswegs So riet etwa Richard Strauss Igor Strawinsky dazu, sein Ballett Der Feuervogel nicht pianissimo beginnen zu lassen: „Da hört das Publikum niemals zu. Man muß es beim ersten Akkord durch großes Getöse überraschen, dann folgt es sogleich, und hinterher können sie machen, was Sie wollen.“ (Burde 1982, S. 63)

[6]Auch bei der algorithmusgeleiteten Auswahl von Song-Ausschnitten für kostenlose Hörproben, wie etwa bei Amazon Music, erfolgt die Selektion des Abschnitts offenbar nach Kriterien wie Ereignisdichte und Veränderungsgrad der Denn keineswegs werden immer nur die Anfänge der Songs präsentiert, sondern vielmehr jene Passagen, wie etwa der Wechsel von Strophe zu Refrain, die als ,Catchy Moment‘ eine hohe affektive Attraktivität aufweisen – und diese können gerade bei älteren Songs weit von der 30-Sekunden-Marke entfernt liegen.

[7] Dieser Befund ist nicht ganz neu. Im medientheoretischen Diskurs wird schon seit mehreren Jahren unter dem Begriff der Medialität ein essentialistisches Verständnis von Einzelmedien durch die Untersuchung der operativen Logik von Medien und medialen Gefügen ersetzt (Jäger 2015).

[8] Damit reihen wir uns ein in eine Serie von jüngeren Studien und Forschungsarbeiten sowohl zu Mikroformaten und -praktiken des (literarischen) Lesens und Schreibens (Schulze 2020) als auch zu bildbasierten Mikroformaten (GIF, Meme), wie sie in der Reihe Digitale Bildkulturen bei Wagenbach von Wolfgang Ullrich und Annekathrin Kohout herausgegeben werden.

 

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Von Peter Moormann, Manuel Zahn

Veröffentlicht am 14. Oktober 2021

Zitiervorschlag

Moormann, Peter; Zahn, Manuel: Relationen und Konstellationen aktueller Mikroformate – theoretische Annäherungen, in: Peter Moormann, Manuel Zahn, Patrick Bettinger, Kai Kaspar, Sandra Hofhues, Helmke Jan Keden (Hg.): Mikroformate. Interdisziplinäre Perspektiven auf aktuelle Phänomene in digitalen Medienkulturen, Zeitschrift Kunst Medien Bildung | zkmb 2021. Quelle: https://zkmb.de/relationen-und-konstellationen-aktueller-mikroformate-theoretische-annaeherungen/; Letzter Zugriff: 18.12.2024