Ausgehend von den jüngeren ästhetischen Schriften des amerikanischen Philosophen Alva Noë, insbesondere seiner Theoriefigur der Reorganisation subjektiver Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsweisen, suchen die Autor*innen des Sammelbands nach produktiven Anschlüssen für die Ästhetische Bildung, die Kunstpädagogik und Kunstvermittlung.
Noës Theorie ästhetischer Erfahrung konzipiert dieselbe als ein transformatives, in seinen Worten, als ein reorganisierendes Ereignis. In erkenntnistheoretischer Perspektive bedeutet das für ihn, dass wir als Menschen nur Anderes wahrnehmen und erkennen können, wenn wir anders als zuvor wahrnehmen und erkennen; und wir können nur anders erkennen, wenn wir uns im Prozess der ästhetischen Erfahrung reorganisieren, eben selbst in einem gewissen Maße Andere werden. Die Kunst, so seine These, stellt hierfür emanzipative ,Werkzeuge‘ zur Verfügung. Und sie tut es in einem komplementären, verflochtenen Verhältnis zu unseren alltäglichen und habitualisierten Wahrnehmungs- und Verhaltensweisen. Die Kunst habe nach Noë einerseits das Potenzial, die Art und Weise, wie wir als individuelle Subjekte organisiert sind – durch verkörperte Gewohnheiten sowie historische, sozio-kulturelle und technologische Strukturen – thematisch werden zu lassen und so zu einer gesteigerten Selbstwahrnehmung zu führen. Andererseits stellt sie den Subjekten ästhetischer Erfahrung alternative, andere Praktiken und Weisen des Wahrnehmens, Denkens und Handelns zur Verfügung. Dabei eröffnet seine Theorie neue Zugänge zum Verständnis ästhetischer Bildungsprozesse bzw. ermöglicht sie den bildungstheoretisch interessierten Leser*innen Fragen zu stellen, beispielsweise hinsichtlich der Anlässe von ästhetischen Erfahrungen, ihrer Verlaufsform und nicht zuletzt auch bezüglich der Verflochtenheit von Individualität und Kollektivität ästhetischer Erfahrung.
Die Beiträge nähern sich auf ganz unterschiedliche Weise der ästhetischen Theorie von Alva Noë: Sie diskutieren sie kritisch hinsichtlich ihrer Grenzen, vergleichen sie mit anderen ästhetischen und wahrnehmungstheoretischen Positionen, erproben sie in Bezug auf verschiedene medienspezifische Kunsterfahrungen oder erweitern sie. Die Autor*innen greifen dabei die zuvor in bildungstheoretischer Perspektive formulierten Fragen auf oder werfen andere weiterführende Fragen auf.