Texte zum Thema „Kunstpädagogik“

Kunstunterricht als Beitrag zu einem gelingenden Leben? Gesellschaftskritische Ansätze in der westdeutschen Kunstpädagogik zwischen 1970 und 1980

3. August 2025
Zwischen 1970 und 1980 wurden in der Geschichte der westdeutschen Kunstpädagogik erstmals verschiedene Zugänge zu populären und alltäglichen Phänomenen visueller Kultur abseits der Bildenden Kunst breit und vielfältig diskutiert. Als ausschlaggebend für die Ende der 1960er Jahre einsetzende Auseinandersetzung mit diesem neuen Themenfeld gilt Saul Paul Robinsohns 1967 erschienenes Buch Bildungsreform als Revision des Curriculums (Tewes 2018: 165). Robinsohn forderte darin die gesellschaftliche Relevanz fachlicher Inhalte im Unterricht und lieferte damit wichtige Impulse für die bestehenden Didaktiken insgesamt. Zur Debatte stand vor allem, „was von einem Schüler im Laufe seiner ‚Vollschulzeit‘ erfahren werden muß, damit er für ein mündiges, d.h. sowohl personell als auch ökonomisch selbständiges und selbstverantwortetes Leben so gut wie möglich vorbereitet sei“ (Robinson 1967: 46). Fachinhalte, so wurde gefordert, sollten insbesondere mit Blick auf eine emanzipatorische Entwicklung von Schüler*innen ausgewählt und aufbereitet werden.

Kunstvermittlung zwischen Rationalismus und Bildung

3. August 2025
Der Bildung sind keine Grenzen gesetzt, dem Begriff der Bildung schon. Wer die Grenzen des Deutschsprachigen überschreitet, findet sich weiterhin in Ländern wieder, wo gelehrt und unterrichtet wird, nur wird der Begriff der Bildung fehlen und ersetzt sein durch andere traditionelle Vokabeln, die sich entweder aus dem lateinischen Substantiv für Erziehung, educatio, gebildet haben oder eigenen Sprachtraditionen gefolgt sind, wie im Niederländischen der Begriff vorming, zu Deutsch Formung, Durchformung, im Sinne von Bildung. Nun enthält dieser letzte Satz bereits zahlreiche komplexe Implikationen, die eine Übersetzung wiederum schwer machen würden. Habe ich den Begriff der Bildung bereits in Anspruch genommen, wenn ich sage, etwas habe sich gebildet, in diesem Fall sprachlich, über Generationen hinweg? Der aufklärerische Bildungsbegriff, mit seinem Fokus auf das sich selbst bildende, freie Individuum, kann hierauf nicht angewandt werden. Und doch stehen überindividuelle, sich bildende Prozesse im Hintergrund zur Befähigung des oder der Einzelnen, sich selbst bilden zu können.

Fachdidaktische Überlegungen zu einer Kunstpädagogik der Übergänge und Multiperspektivität am Beispiel einer „kongolesischen Kraftfigur“ um 1900 – oder: vielfältige Narrative über eher unbekannte Objekte

3. August 2025
„Ich zweifle grundsätzlich daran, dass es eine Wahrheit, eine Geschichtsnarration oder eine Autorschaft gibt. Mich interessiert das Dazwischen.“ Mathilde ter Heijne Das Konzept der Salzburger Tagung „Kritik (in) der Kunstpädagogik“ fragte nach Formen, Relationen und Potentialen des Kritisierens im Rahmen der Disziplin Kunstpädagogik. Zugänge einer sogenannten „kritischen Kunstpädagogik“ standen dabei zur Diskussion, gleichwohl aber auch eine Kunstpädagogik, die sich reflexiv mit Aspekten von Kritik beschäftigt. Eine Frage, die vor diesem Horizont für das Folgende insbesondere relevant erscheint, war jene nach Perspektivierungen des Kritisierens im Rahmen der Fachspezifik: Welche Aspekte des Kritisierens sind unter einem fachdisziplinär ausgerichteten, kunstpädagogischen Zugang relevant? Eine Möglichkeit des Antwortens wäre: kritische Zugänge der Kunstpädagogik in Relation zu Normativität und Reflexivität zu setzen.

Kritisch denken und handeln an einer (Kunst-)Universität. Über die gemeinschaftliche Verkörperung von Kritik in einem vielleicht unterbeleuchteten kunstpädagogischen Feld

3. August 2025
„Der Aufbau einer Gemeinschaft erfordert ein wachsames Bewusstsein für die Arbeit, die wir ständig leisten müssen, um unsere gesamte Sozialisierung zu hinterfragen, denn sie bringt uns dazu, uns auf eine Weise zu verhalten, die die Vorherrschaft aufrechterhält.“ (hooks 2024: 58) An (Kunst-)Universitäten wird studiert, gelernt, gelehrt, verwaltet und geforscht. Universitäten, und speziell Kunstuniversitäten, kommt neben dem Anbieten von Studien und der Beteiligung am wissenschaftlichen und künstlerischen Diskurs die grundsätzliche Aufgabe zu, „Wissen zu analysieren, zu hinterfragen und kreativ zu rekombinieren“ (Bast 2019: 22). In dieser Aufgabe liegt nicht zuletzt jene enorme Verantwortung, die die (Kunst-)Universitäten im gesamtgesellschaftlichen Gefüge innehaben. Diese Verantwortung zu tragen, verlangt ihnen eine „Arbeit“ ab, die es allererst ermöglicht, gegebene Ordnungen des Wissens, aber auch des Handelns, nicht weiter zu erhalten, sondern abzubauen. Auf eine künftige Gemeinschaft, die bereit ist, eine solche Arbeit zu leisten, die eine genuin kritische im Sinne einer zerlegenden, abwägenden und mit Blick auf den jeweiligen Kontext schließlich neu konstruierende Arbeit ist, hofft das diesen Beitrag eröffnende Zitat bell hooks‘. Die Arbeit, die besonders auch (Kunst-)Universitäten zu leisten haben, würde ihrer Ansicht nach nicht nur kritische Operationen beinhalten, die das oben genannte Analysieren und Hinterfragen inkludieren; sie würde auch über das gestalterische Moment des kreativen Kombinierens hinausgehen. Eine solche Arbeit müsste nämlich Hand in Hand gehen mit dem Aufbau einer Gemeinschaft – einer Gemeinschaft, die vielleicht nicht primär, aber auch an (Kunst-)Universitäten entstehen kann.

Curatorial Learning Spaces. Einleitung

6. Mai 2023
Der Band Curatorial Learning Spaces nimmt aktuelle, digital und global gewordene gesellschaftliche Bedingungen zum Anlass, um das Verhältnis von Kunst, Pädagogik und kuratorischer Praxis zu befragen. Er bringt eine Reihe von Stimmen zusammen, die sich aus ihrem je eigenen praktischen und theoretischen Kontext mit Strategien des Zeigens und Vermittelns befassen und mit der Frage nach der Wirkung und Funktion von kuratorischen Räumen auseinandersetzen. Die drei titelgebenden Begriffe – Bildung, Raum und das Kuratorische – liefern die inhaltlichen Ankerpunkte für eine Reflexion produktiver Verschränkungen von kuratorischer und kunstpädagogischer Praxis und Theoriebildung. Vor dem Hintergrund sich verändernder Bedingungen und Anforderungen an institutionelle Bildungsräume durch veränderte Medienkulturen und die Anerkennung von gesellschaftlicher Heterogenität fragt dieses Buch danach, wie Strategien des Kuratierens und Vermittelns ineinandergreifen und wie sie für die Umgestaltung von Bildungsräumen produktiv gemacht werden können. Welche Wirkungen haben pädagogische Formate im Kunstfeld und umgekehrt kuratorische Formate im pädagogischen Feld? Welches Potenzial haben Ausstellungen als Erfahrungsräume, gerade wenn sie auf Prozesshaftigkeit und Teilhabe ausgerichtet sind? Kann künstlerische und kuratorische Praxis institutionell normierte Räume aufbrechen und somit konventionelle Vermittlungssituationen ästhetisch und pädagogisch erweitern?

Transkulturelle Bild(ungs)arbeit. Wechselseitige Lernprozesse durch fotografische Praxis

13. Oktober 2021
„Eine Person kann ganz widerspruchsfrei amerikanische Bürgerin von karibischer Herkunft mit afrikanischen Vorfahren, Christin, Liberale, Frau, Vegetarierin, Langstreckenläuferin, Feministin, Heterosexuelle, Tennisfan et cetera sein“, schreibt der Ökonomie-Nobelpreisträger Amartya Sen in seinem Buch „Die Identitätsfalle“ (2007: 33f.) und bringt damit seine Kritik an der essentialistischen Illusion, der Mensch sei auf eine einzige Identität und damit auf eine Kultur reduzierbar, zum Ausdruck. Vorliegenden Auszug zitiert auch Bernd Wagner (2012) und unterstreicht, dass der Mensch aufgrund vielfacher Einflussfaktoren wie der Globalisierung, des technologischen Fortschritts (z.B. Kommunikationstechnologie, Luftfahrt etc.) und der damit in Zusammenhang stehenden Kommunikationskultur und Mobilität unentwegt mit verschiedensten Kulturen (z.B. Breiten-, Sub- und Alternativkulturen) in Berührung kommt und diese wiederkehrend in Beziehung zur eigenen kulturellen Identität setzt. Aus postkolonialer Perspektive sind diese Kulturen in Abkehr zu Johann Gottfried Herders traditionellem Kugelmodel weder als „statisch“ noch „rein“ zu begreifen. Kulturen haben sich über Jahrhunderte hinweg wechselseitig durchdrungen (vgl. Wagner 2012: 249) und sich aufgrund der damit verbundenen Vermischung von Wertesystemen, Glaubenssätzen und Lebensweisen immer wieder aufs Neue transformiert. So heterogen und hybride Kulturen ihrem Wesen nach sind, so veränderlich und inhomogen sind auch die darin verankerten Identitäten. Weder Kultur noch Identität sind diesem Ansatz folgend in sich ruhende und ursprüngliche Einheiten, bei denen eindeutig eine Grenzlinie zwischen dem Eigenen und dem Fremden gezogen werden kann (vgl. Wagner 2012: 248), sondern sie erweisen sich als Produkt immerwährender Verschmelzungs- und Neuausprägungsprozesse, die multiple Zugehörigkeiten, Orientierungen und Positionierungen ermöglichen.  

Curating (in) the classroom. Kuratieren als Arts Education in Transition?

11. Juni 2021
Wie lässt sich eine „kuratierte Lernumgebung“ (Meyer 2014) inszenieren, die die künstlerische und wissenschaftliche Arbeit eines gesamten Studienjahrs in räumlicher und zeitlicher Verdichtung erfahrbar macht? Diese Frage stand am Anfang des Ausstellungsprojekts SUBLIMA, einer Gruppenausstellung, die im Dezember 2017 zum zweiten Mal in den Räumen der Humanwissenschaftlichen Fakultät (HumF) der Universität zu Köln stattfand. Zu sehen waren 43 Arbeiten von 28 Studierenden (und eine kollektive Seminararbeit)[1] der Studiengänge Kunst, Ästhetische Erziehung und Intermedia, die zuvor in einem mehrstufigen Verfahren von einer zwölfköpfigen Kurator*innen-Jury aus Lehrenden und Studierenden ausgewählt wurden.

Post-Internet Art Education als kunstpädagogisches Handlungsfeld

25. März 2021
In der Kunst, wie in der Kunstpädagogik, ereignen sich permanent Verschiebungen an Methoden und Material. Indem das alltägliche (Medien-)Handeln der Schüler*innen die Fachkonventionen per Selfie und mit Instagram-Stories wie selbstverständlich aufwirbelt und das Fach auf besondere Weise herausgefordert ist, scheint nun zusätzlich Bewegung ins Spiel gekommen zu sein. Nicht nur beeinflusst unser Medienhandeln, was wir wissen, auch unser Bildhandeln lässt Rückschlüsse auf unser Medienhandeln zu. Es bestimmt unseren Zugriff auf die Welt ganz wesentlich. Zum Beispiel: Was sehen Sie auf dem untenstehenden Bild (Abb. 1)? Welchen Namen trägt die Figur mit der Perlenkette? Und wie heißen ihre Schwestern? Wie heißt die blauviolette Pflan- ze im Hintergrund? Was hat diese Zeichentrickfigur mit der blauen Blüte zu tun? Je nachdem, welcher Generation Sie angehören, welche Medien Sie nutzen, werden Sie verschiedene Ant- worten geben können – zum Beispiel wüssten Sie, dass der Zusammenhang zwischen Pflanze und Zeichentrickfigur jene blauen Haare sind, die durch die Pflanze farblich passend ersetzt wurden. Ähnlich einem draw a man test, der zeigen soll, wie Sie Umwelt beobachten und wiedergeben können, erfahren Sie mit diesem Bild hier indirekt, welche Sehgewohnheiten Sie pflegen und welchen Bildern sie routiniert begegnen. Entscheidend ist an dieser Stelle, dass sich der Bildkanon der öffentlichen Bilder so diversifiziert hat, dass es den Kanon nicht mehr gibt oder geben kann, sondern wir von Bildwelten im Plural ausgehen müssen. Was bedeutet das für die Kunstpädagogik und den Kunstunterricht?

Networking Arts Education. Zur Bedeutung von Vernetzung in der Lehrer*innenbildung in den ästhetischen Fächern

25. Februar 2021
„Lehrer müssen sich noch mehr vernetzen und austauschen und dies nicht ausschließlich digital oder über soziale Netzwerke” Tweet auf Twitter, @Stefan Schwarze, 21.02.2018 Das Netzwerk ist in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus von Lern- und Lehrprozessen geraten (vgl. Stegbauer 2010). In Bildungstheorien wird das Netzwerk als Metapher aufge- griffen, um aufzuzeigen, dass sich die unterschiedlichen Beziehungsgeflechte und Kommunikationsstrukturen als Paradigma im Kontext digital bestimmter Lebenswelten für unsere Gesellschaft durchsetzen (vgl. Kiefer/Holze 2018). In Anlehnung an Theorien wie der Akteur-Netzwerk-Theorie leiten Vertreter*innen aus Bildungsforschung und Schulentwicklung neue Praktiken ab und zeigen die aktuelle Wichtigkeit von „Netzwerken im Bildungsbereich” (vgl. Altrichter et. al. 2008) auf. Für eine Transformation der Lehrer*innenbildung an der Universität hin zu einem Netzwerk müssen Beziehungsgeflechte zu Praktiker*innen aus Schule, Kunstinstitutionen und Kunsträumen aufgebaut, gepflegt und nachhaltig durch entsprechende Ressourcen ermöglicht werden.

Intimacy with a Stranger. Kunst, Bildung und die (mögliche) Politik der Liebe

19. Februar 2021
Liebeslieder handeln oft von Erfüllung: von der Erfüllung der Sehnsucht nach einem geliebten Menschen, der Erfüllung des Selbst durch den Anderen oder dem Gefühl der Unvollständigkeit, wenn die Liebe aus dem einen oder anderen Grund verfliegt. Oft bezieht sich das Gefühl der Erfüllung auf die Einheit der Liebenden, doch es gibt auch Songs, die mit dieser Erzählung brechen. In Halo zum Beispiel singt Beyoncé von einer Liebe, die Mauern niederreißt und Regeln bricht; eine grundlegend riskante Liebe, die die Sängerin mit einem ätherischen, engelhaften Licht umgibt, das trotz seines transzendenten Charakters eine fundamental körperliche Erfahrung bedeutet. Die Macht, die der Liebe in Halo zugeschrieben wird, treibt das Narrative der Erfüllung ins Extreme, bis zu dem Moment, in dem das Objekt der Liebe zu „everything [one] need[s] and more” heranwächst und das Versprechen der Einheit schließlich an genau diesem Punkt zerbricht. Kurz gesagt, die Liebe beschwört das Unbekannte herauf; sie ist die radikale Öffnung zu etwas anderem, das nicht mehr bloße Einheit ist.