Texte zum Thema „Postinternet“

Post-Internet Art Education als kunstpädagogisches Handlungsfeld

25. März 2021
In der Kunst, wie in der Kunstpädagogik, ereignen sich permanent Verschiebungen an Methoden und Material. Indem das alltägliche (Medien-)Handeln der Schüler*innen die Fachkonventionen per Selfie und mit Instagram-Stories wie selbstverständlich aufwirbelt und das Fach auf besondere Weise herausgefordert ist, scheint nun zusätzlich Bewegung ins Spiel gekommen zu sein. Nicht nur beeinflusst unser Medienhandeln, was wir wissen, auch unser Bildhandeln lässt Rückschlüsse auf unser Medienhandeln zu. Es bestimmt unseren Zugriff auf die Welt ganz wesentlich. Zum Beispiel: Was sehen Sie auf dem untenstehenden Bild (Abb. 1)? Welchen Namen trägt die Figur mit der Perlenkette? Und wie heißen ihre Schwestern? Wie heißt die blauviolette Pflan- ze im Hintergrund? Was hat diese Zeichentrickfigur mit der blauen Blüte zu tun? Je nachdem, welcher Generation Sie angehören, welche Medien Sie nutzen, werden Sie verschiedene Ant- worten geben können – zum Beispiel wüssten Sie, dass der Zusammenhang zwischen Pflanze und Zeichentrickfigur jene blauen Haare sind, die durch die Pflanze farblich passend ersetzt wurden. Ähnlich einem draw a man test, der zeigen soll, wie Sie Umwelt beobachten und wiedergeben können, erfahren Sie mit diesem Bild hier indirekt, welche Sehgewohnheiten Sie pflegen und welchen Bildern sie routiniert begegnen. Entscheidend ist an dieser Stelle, dass sich der Bildkanon der öffentlichen Bilder so diversifiziert hat, dass es den Kanon nicht mehr gibt oder geben kann, sondern wir von Bildwelten im Plural ausgehen müssen. Was bedeutet das für die Kunstpädagogik und den Kunstunterricht?

Einführung: Post-Internet Arts Education

17. September 2020
Die Zukunft von Bildung könnte aufregender nicht sein. Die Möglichkeiten und Transformationsdynamiken, die die Digitalisierungsprozesse mit sich bringen, sind so vielfältig wie komplex. Das Internet ist heute überall: Als materielle Infrastruktur in Form von Glasfaserkabeln, Datenpaketen oder blinkenden Routern verbindet es scheinbar alles miteinander, von Personal Computern, Toastern, Flugzeugen, PKWs über Supermärkte, Krankenhäuser bis zum Buchladen um die Ecke. Das Internet hat darüber hinaus auch dort, wo wir es nicht sehen können, längst Einzug gehalten und unseren Alltag verändert. Durch die Navigation per GPS-Dienst, die schnelle Verfügbarkeit von Informationen oder nahezu in Echtzeit zu versendenden Bildern und Videos bewegen wir uns, kommunizieren oder erledigen Hausaufgaben heute anders als vor der mobilen Verfügbarkeit des internetfähigen Smartphones. Nun hat das Internet aber auch noch den Bildschirm verlassen: Jedes Bild, das wir hochladen, kann als Like oder Ärgernis mit Auswirkungen auf das Leben offline zurückkommen. Das scheinbar Widersinnige daran: Man muss selbst nicht online sein, um die Auswirkungen eines Shitstorms am eigenen Leib zu erfahren. Aber auch eine online gefundene Liebe kann sich sehr wohl ins Physische übertragen (vgl. Steyerl 2015). Die Gepflogenheiten im Netz destabilisieren gewohnte Wahrnehmungs-, Reflektions- und Kommunikationsmuster. Vor dem Hintergrund von Fake News, Überwachung und affektgeladenen Diskussionskulturen ist es deshalb umso wichtiger, sich den zugrundeliegenden Strukturen einer vernetzten Welt zu widmen, ein Verständnis für ihre Prozesse zu entwickeln und einen versierten Umgang mit ihnen zu finden.

Let’s get lost. Warum das Internet nicht den Untergang der abendländischen Kultur bedeutet und es uns zu kreativeren Menschen machen kann

17. September 2020
Seit rund einem Jahr hat meine Mutter (71) ein eigenes Profil auf Facebook1. Ich bin einer ihrer acht Freunde. Davor hat sie sich über zehn Jahre standhaft geweigert, auch nur mal eine SMS auf ihrem Mobiltelefon zu schreiben. Dies gepaart mit einer noch längeren, konsequenten Weigerung allen technologischen Neuerungen gegenüber, insbesondere wenn es sich um computerbasierte und digitale Kommunikationswerkzeuge handelte. Ihre Standardantwort: Man könne ja telefonieren. Als es nun gebräuchlich wurde, per Mobiltelefon und Social Media auch Bilder zu versenden, schienen mit einem Male fast alle Technikbarrieren und Computerphobien weggewischt oder zumindest überwindbar zu werden. Der Wunsch nach neuen Bildern aus der erweiterten (Familien-)Welt war offenbar stärker. Auch die Emoticons haben es ihr regelrecht angetan. Es waren nicht so sehr die Worte, sondern die Bilder, die sie den nötigen Effort aufbringen und etwas Neues lernen ließen.