Ausstellen und ausgestellt werden. Für eine selbstverständliche Ausstellungskultur in der Kunstpädagogik

In den vergangenen Jahren haben sich im Institut für Kunst & Kunsttheorie der Humanwissenschaftlichen Fakultät in Köln mehrere erfolgreiche Ausstellungsprojekte etabliert. Während an Kunsthochschulen die Ausstellungspraxis als elementarer Teil des Studiums schon immer selbstverständlich war, bildeten an der Universität zu Köln groß aufgezogene Ausstellungen mit den Arbeiten von angehenden Kunstpädagog*innen eher die Ausnahme. Neuerdings scheinen dort die Grenzen zwischen Kunstpädagogik und Kunstpraxis mit Blick auf das gemeinsame Ziel, die Einübung von Vermittlungskompetenzen, aber zu verschwimmen: Die Kunstpädagogik der Gegenwart kann in Zeiten, in denen sich die Kunst unter Erkundung ihrer eigenen Merkmale immer weiter entgrenzt, nicht mehr nur die Vermittlung von formalen Fähigkeiten und Kenntnissen in den Vordergrund stellen (vgl. Buschkühle 2004).

Durch die vom kunstpädagogischen Bereich des Instituts für Kunst & Kunsttheorie ins Leben gerufenen Ausstellungsprojekte wie Sublima16 und Sublima17 könnte der Eindruck erweckt werden, dass die Ausstellungspraxis in der Ausbildung von Kunstpädagog*innen an Bedeutung gewonnen hat. Ein herausragendes Merkmal dieser institutseigenen Ausstellungsprojekte ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb der Studienfächer Kunst (Lehramt), Ästhetische Erziehung (Lehramt) und Intermedia. Besonders durch die unterschiedlichen fachlichen Herangehensweisen an die Produktion eigener künstlerischer Arbeiten entsteht ein alle Studienrichtungen bereichernder Erfahrungs- und Deutungsaustausch.

Das Format Sublima zeichnet sich u.a. durch seine Vermittlungskonzepte aus. Zur Ausstellung werden Kataloge produziert. Außerdem werden Führungen angeboten: Studierende selbst werden zu den Vermittler*innen der Ausstellung und begleiten die Besucher*innen im Prozess ihrer Rezeption. Bei der Erarbeitung des Vermittlungskonzepts werden Erfahrungen, die auf den vielfältigen Exkursionen (u.a. Berlin Biennale 9, documenta 14) gemacht wurden, reflektiert, modifiziert und transferiert.

Ein Gegenentwurf zu dieser universitär initiierten und von Mitarbeiter*Innen des Instituts betreuten bzw. getragenen Ausstellung ist die studentische Ausstellungreihe alleswasgeht. Nach einem Open Call werden einzelne Künstler*innen eingeladen, um ihre Arbeiten zu ,bewerben’. Aus diesem Bewerber*innenpool wählt das ebenfalls aus Studierenden bestehende Kurationsteam die geeigneten Nachwuchskünstler*innen für das Projekt aus. Der Titel der Ausstellungsreihe wird bei der Auswahl der Arbeiten wörtlich genommen: Es wird kein spezifisches Thema vorgegeben, alles geht. Die Vermittlung erfolgt über Künstler*innengespräche, Ansprachen von Dozierenden und einen Katalog.

Ein weiteres studentisches Ausstellungsprojekt in Köln ist die Ausstellungsreihe Eintagsfliege. Dieses Projekt wurde durch Studierende und Alumnis des Instituts für Kunst & Kunsttheorie ins Leben gerufen. Das Kollektiv rund um die Eintagsfliege verlässt ganz bewusst universitäre Ausstellungsräume, mit dem Ziel, engagierten jungen Kunstpädagog*innen auch außerhalb ihres Studienkontexts ein Forum, einen informellen Lernort zu schaffen. Dies geschieht jedoch, ohne dabei die universitäre Verbindung ganz aufzulösen. Für jede Ausgabe der Eintagsfliege wird ein anderer Ausstellungsort im Raum Köln gesucht und ein zu ihm passendes Thema gewählt. In der Vorbereitung werden dann einzelne Künstler*innen eingeladen, sich mit jenem Thema und den daran gebundenen Ort künstlerisch auseinanderzusetzen. Mit dieser Herangehensweise soll ein Ausstellungssetting generiert werden, in dem Ausstellungsort und Exponate praktisch miteinander verschmelzen. Explizites Ziel des Projekts ist es, durch die Nutzung von außergewöhnlichen Ausstellungsorten einen Gegenentwurf zum white cube zu schaffen und so den Versuch zu unternehmen, die Arbeiten durch den Raum in einen besonderen Kontext zu setzen. So wurden beispielsweise bereits ein gemeinschaftlich bewirtschafteter Garten zum Thema Wald und ein stillgelegter Atomschutzbunker zum Thema Dystopie | Utopie | Struktur | Chaos als Ausstellungsorte genutzt.

Nun könnte die Forderung laut werden, dass die Studierenden sich weniger ihrem Privatvergnügen, sondern mehr ihrem Studium widmen sollten. Doch nichts anderes passiert bei der Planung und Durchführung von Ausstellungen. Mit der Umsetzung einer Ausstellung eröffnet sich durch die vielen Aufgaben und deren Teilaufgaben eine Vielzahl von Lerngelegenheiten. Studierende sind sowohl als Künstler*innen, die ihre Arbeiten zeigen, als auch als Kurator*innen aktiv, die darüber entscheiden, was wo und in welchem Kontext gezeigt wird. Auf diese Weise erweitern Studierende ihre eigenen künstlerischen Fähigkeiten und üben sich im Projekt- und Eventmanagement. Sie setzen sich mit den Abläufen des Kunstbetriebs auseinander und verbessern ihre Vermittlungs- und Medienkompetenzen. Aus den Studierenden werden Künstler*innen, Kurator*innen, Organisator*innen, Grafiker*innen, Gestalter*innen, Designer*innen, Social Media Manager*innen, teilweise sogar Kunsthändler*innen. Sie geben einander Anregungen und holen Feedback ein. Gleichzeitig verbessern sie außerdem ihre kommunikativen, organisatorischen und kunstpraktischen Kompetenzen. Von der Zeitplanung, über die Anfertigung von Logos und Raumplänen, bis hin zur Kommunikation mit den Künstler*innen und kuratorischen Entscheidungen im Ausstellungsraum, eröffnen sich den Studierenden vielfältige Möglichkeiten, sich an einer Ausstellung zu beteiligen. Sie produzieren, konzipieren, wählen zu ihrer Idee passende Medien und erarbeiten die konkrete Umsetzung ihres Konzepts und des dahinterstehenden Gedankengangs. Studentische Ausstellungsprojekte sind nichts anderes als Übungsfelder für junge Kunstpädagog*innen.

Je nach Konzept müssen außerdem Werbekanäle genutzt, Inhalte für soziale Medien produziert und externe Kooperationspartnerschaften z.B. für musikalische Unterstützung angeworben, finanziert und betreut werden. Außerdem kommt es durch das Einnehmen einer Rolle im Kontext einer Ausstellung zu einem tieferen Verständnis für die Positionen im Kunstbetrieb. Gleichzeitig fördert die inhaltliche Arbeit mit eigener und fremder Kunst die Durchdringung künstlerischer Positionen und deren Vermittlung.

Wie in ihrer beruflichen Zukunft gestalten die Studierenden bei ihrer Mitarbeit an studentischen Ausstellungsprojekten Lernräume für ästhetische Erfahrungen und visuellen Ausdruck. Dabei entstehen Orte, an denen eine inhaltliche Debatte über aktuelle Gegebenheiten induziert wird. Sei es die Auseinandersetzung mit der Theorie des Posthumanismus und die Antizipation von aktuell denkbaren Varianten der Entwicklung der Menschheit, dem Wandel des Kunstbegriffs, der neuen Ästhetik des Erhabenen oder die produktive Auseinandersetzung mit der politischen Interventionskunst. Ausstellungsprojekte ermöglichen die Diskursteilnahme aus drei Perspektiven: die beteiligten Künstler*innen beziehen durch ihre Arbeiten eine Position im künstlerischen Diskurs, die Ausstellungsbesucher*innen beziehen eine Position zur Arbeit und die beteiligten Kurator*innen schaffen einen Rahmen und setzen die Arbeiten in Beziehung zueinander. In einzelnen Fällen lässt sich die Arbeit der Kurator*innen als Metakunst verstehen. Die Partizipation am künstlerischen Diskurs lässt ein Forum für Austausch entstehen. Gerade mit Hinblick auf den curatorial turn (vgl. Meyer 2015) lässt sich diese Form von pulsierender Ausstellungskultur in und um die Ausbildung von Kunstpädagog*innen in Köln als eine ganz besonders wertvolle und erhaltenswerte Bildungs- und Wachstumsmöglichkeit bewerten: Wenn sich bei den angehenden Kunstpädagog*innen eine Selbstverständlichkeit bei der Besprechung, Reflexion und Vermittlung von eigener und fremder Kunst einstellt, wenn das einen Zugang schaffen zur Fertigkeit wird, dann haben sie eine der wichtigsten kunstpädagogischen Basisfertigkeiten erlangt.

Literatur

Buschkühle, Carl-Peter (2004): Kunstpädagogen müssen Künstler sein. Zum Konzept künstlerischer Bildung. In: Pazzini, Karl-Kosef; Sturm, Eva; Legler, Wolfgang; Meyer, Torsten (Hrsg.): Kunstpädagogische Positionen. Hamburg: Hamburg University Press, Heft 5, S. 8-9.

Meyer, Torsten (2015): Für einen curatorial turn in der Kunstpädagogik. In: Meyer, Torsten/Kolb, Gila (Hrsg.): What‘s Next? Band II. Art Education. Ein Reader. München: kopaed, S.220-222.

Von Jakob Sponholz

Veröffentlicht am 19. April 2024

Zitiervorschlag

Sponholz, Jakob: Ausstellen und ausgestellt werden. Für eine selbstverständliche Ausstellungskultur in der Kunstpädagogik, in: Jane Eschment, Hannah Neumann, Aurora Rodonò, Torsten Meyer (Hg.): Arts Education in Transition, Zeitschrift Kunst Medien Bildung | zkmb 2024. Quelle: https://zkmb.de/ausstellen-und-ausgestellt-werden-fuer-eine-selbstverstaendliche-ausstellungskultur-in-der-kunstpaedagogik/; Letzter Zugriff: 06.11.2024