Texte zum Thema „Publikation nach double blind Review Verfahren (ab Sept 2019)“

Zwischen künstlerischen Arbeiten und kuratorischen Praktiken. Überlegungen zu Kontextualisierungen und dem Zeigen des Zeigens

11. Februar 2025
Seinen Ausgangspunkt findet mein Beitrag im Interesse an den multiplen, situativen und komplexen Beziehungen zwischen künstlerischen Arbeiten, Kontexten und Betrachter*innen.  Mit diesem Interesse nähere ich mich dem von Alva Noë ausgearbeitetem Konzept reorganisierender Praktiken. Ich möchte in diesem Beitrag Überlegungen dazu anstellen, in welche Kontexte die „Strange Tools“ der Künste eingebunden sind und wie Kontexte die Organisation und Reorganisation menschlicher Aktivitäten beeinflussen können. Im Rahmen dieses Beitrags möchte ich diese Frage auf kuratorische Praktiken hin zuspitzen. Ich werde dazu Umwege über verschiedene künstlerische Arbeiten nehmen und dadurch meine Gedanken zu der Beteiligung des Kontextes an reorganisierenden Potenzialen aus einer an Sara Ahmed anschließenden queer-phänomenologischen Perspektive entwickeln.

Verkörperte Simulationen – Zur Reorganisation von Wahrnehmung und Wissen in den immersiven Installationen von Jakob Kudsk Steensen

11. Februar 2025
Die immersiven Installationen von Jakob Kudsk Steensen weisen komplexe Verflechtungen zwischen künstlerischen, kulturellen, historischen, technologischen und ökologischen Phänomenen, Praktiken und Formen der Wissensproduktion auf. Der Künstler navigiert dabei in Kollaboration mit menschlichen und technologischen Akteuren – meist in Kombination mit generativer KI-Technologie – durch Orte und Zeiten, indem er unterschiedliche Bezugsrahmen und plurale Geschichten miteinander verwebt. Thematisch wird dadurch die Frage, wie verschiedene Arten der Wissensgenerierung angesichts aktueller Technologien zusammengebracht und künstlerisch umgesetzt werden können. Relevant ist dies, da sich im Zuge fortschreitender technologischer, post-digitaler Transformationen hybride materiell-digitale und digital-mediale Figurationen (vgl. Elias 2024; Herlitz/Zahn 2019) bilden, die sich zunehmend der Sichtbarkeit und Kontrollierbarkeit des Menschlichen entziehen und kaum bisher üblichen Formen der Organisiertheit entsprechen.

Re-, De-, Dis-Organizing: Medienspezifische Weisen der (Re-)Organisation von Wahrnehmungsprozessen in Ausstellungen

11. Februar 2025
Ausstellungen sind mehr als Zusammenstellungen singulärer Objekte und Bilder, sie stellen dichte Gefüge dar, die Wahrnehmungs- und Erfahrungsprozesse ausrichten, verschieben und transformieren können. Zwar trete diese emphatische Vorstellung einer Ausstellung, die nicht nur beansprucht zu zeigen, sondern auch in einer transformativen Weise die Sinne, bzw. Wahrnehmungsschemata umgestaltet, Birnbaum und Wallenstein zufolge erst im Zuge des Modernismus des 20. Jahrhunderts explizit auf, zugleich weise sie aber eine längere Genealogie auf (vgl. Birnbaum/Wallenstein 2019: 29). Die Frage, wie aber Ausstellungen Wahrnehmungsgewohnheiten irritieren und transformieren, ist bis heute weitgehend unerforscht geblieben (vgl. Werner 2019: 12). Zwar wird Ausstellungen im aktuellen Diskurs durchaus ein transformatives Potenzial zugeschrieben (vgl. Hahn et al. 2023; Miersch 2023: 127-148), es liegen aber nur wenige mikroanalytische Studien vor, die die These untersuchen und en detail Wahrnehmungsprozesse in Ausstellungen rekonstruieren und analysieren (vgl. Muttenthaler/Wonisch 2006; Reitstätter 2015; Bal 2010).

Der philosophische Knotenpunkt der ästhetischen Langenweile

11. Februar 2025
Für Alva Noë ist die Philosophie eine Form der Kunst: Die Prozesse der Wahrnehmung, die Struktur der Erfahrung und die Wirkungsstrategien von Kunst sind vergleichbar mit dem Erlebnis der Philosophie. Und durch die eigene, je individuelle Erfahrung der Kunst verstehen wir die Bedingungen, Prozesse und Strukturen der menschlichen Erfahrung womöglich etwas besser. In einem Durchgang durch die ästhetische Erfahrung des Videofilms Lunch Break von Sharon Lockhart (2008) soll im Folgenden exemplarisch Noës These der Reorganisation von Wahrnehmungsweisen durch Kunst exemplarisch untersucht werden.[1] Lunch Break zeigt, radikal auf 83 Minuten verlangsamt, eine einzige, ursprünglich 10-minütige und ungeschnittene 35mm-Filmaufnahme einer Kamerafahrt durch den Hauptgang und Verbindungskorridor der Bath Iron Works in Maine, Massachusetts, USA.[2] Diese 83 Videominuten wirken zunächst entsetzlich langweilig, denn die Kamera fährt in quälender Langsamkeit den geraden Gang entlang einem unerreichbaren Fluchtpunkt entgegen. Die Plansequenz[3], auch als Long Take bekannt, wurde während einer Mittagspause in der Schiffswerft gedreht.

Ist Musik ein Strange Tool? Eine kurze Antwort.

11. Februar 2025
Als mich Manuel Zahn gefragt hat, ob ich mir vorstellen könnte, am Workshop zum Thema der ästhetischen und künstlerischen Praktiken als Reorganisation von Wahrnehmungsweisen teilzunehmen, habe ich zugesagt, ohne ein einziges Buch von Alva Noë gelesen zu haben. Ich habe die Zusage zum Glück nicht bereut. Mindestens aus zwei Gründen fand ich die Lektüre von Noës Strange Tools (2015) anregend: Zum einen weil das Buch vor Ideen und Intuitionen nur so strotzt. Zum anderen, weil diese Ideen und Intuitionen auf eine Art und Weise präsentiert werden, die es Leser*innen wie mir vergleichsweise leicht macht, sie kritisch zu beurteilen. Mich hat das Buch vor allem angesprochen, weil es eine allgemeine ästhetische Theorie entwickelt und dabei auch Kapitel zur Musik enthält. Ich glaube, dass vor allem Musik für allgemeine ästhetische Theorien, Theorien der Künste oder der Kunst, den Härtefall darstellt.

Im Gespräch mit Bildern. Über die Rolle von Anderen in der Verflechtung mit Kunst bei Alva Noë

11. Februar 2025
Wenn ich mit Studierenden der Kunstpädagogik über mögliche Arten der Auseinandersetzung mit Bildern spreche, begegnen mir immer wieder zwei konträre Zugänge. Grob gesprochen lassen sich diese in einen der beiden Bereiche einordnen: Einerseits kreisen manche Vorstellungen dessen, was eine Auseinandersetzung mit Bildern in Vermittlungskontexten sein kann und soll, um ein Erschließen der Bildbedeutung. Es geht hier in den allermeisten Fällen um den kunst- oder kulturwissenschaftlich objektivierbaren Gehalt eines Bildes, der keine individuelle Meinung widerspiegelt, sondern das Ergebnis einer strukturierten Analyse ist. Andererseits orientieren sich viele Zugänge an einem Sich-affizieren-lassen durch das Bild, das nicht objektivierbar ist, sondern sich als ein subjektives Empfinden äußert. Gerade mit Bezug hierauf betonen Studierende immer wieder das Potential der Auseinandersetzung mit Bildern für das Bildungsanliegen der Individualisierung, das mit einer gefühlsoffenen Form der Annäherung in Zusammenhang zu stehen scheint. An dieser sehr schematisch dargestellten Zwiespältigkeit der Auseinandersetzung mit Bildern lassen sich zwei in ästhetischen Debatten gar nicht so selten anzutreffende Auffassungen ablesen: Rational-analytische Verfahren der Auseinandersetzung mit Bildern (z.B. Panofsky 2006) legen wenig Wert auf den individuellen Zugang zum Bild, sondern orientieren sich an allgemein (mit)teilbaren Auslegungen von Bildern. Sie lassen sich entsprechend problemlos versprachlichen und in gemeinschaftlichen Vermittlungssettings anwenden, weil die Blicke der Einzelnen auf dieselben (formalen und inhaltlichen) Aspekte des Bildes gelegt werden.

Über das Töpfern, Taylor Swift und Sex Pistols. Alva Noë im Gespräch mit Fatma Kargin und Manuel Zahn

11. Februar 2025
Fatma Kargin / Manuel Zahn: Alva, schön, dass Du Dir die Zeit für dieses Gespräch mit uns nimmst. Wie haben ein paar Punkte vorbereitet über die wir gern mit dir sprechen wollen. Dabei handelt es sich um einige grundlegende Thesen oder Konzepte deiner Theorie. Bevor wir einsteigen noch ein paar Sätze zu unserer Perspektive. Wir sind beide Erziehungswissenschaftler*innen und interessieren uns für deine Theorie vor dem Hintergrund Ästhetischer Bildung. Uns treiben schon länger Fragen um wie: Durch was werden ästhetische Erfahrungs- und Bildungsprozesse ausgelöst? Wie vollziehen sie sich? Vor diesem Hintergrund finden wir vor allem zwei deiner letzten Bücher, Strange Tools (2015) und The Entanglement (2023), aber eigentlich auch schon Action in Perception (2004), sehr interessant, da sie weitere, grundlegende Fragen ermöglichen: Wie denken wir „Ästhetische Erfahrung“ vor dem Hintergrund einer bestimmten Konzeption von Wahrnehmung? Was können wir unter „Wahrnehmung“ verstehen und was unter dem „Ästhetischen“?

Ästhetik der Reorganisation. Zur Einleitung

11. Februar 2025
„What is characteristic of aesthetic experience is that by looking, describing, thinking, and interrogating artwork, we make ourselves new. Works of art – whether pictures or writings or dances or songs – rework the raw materials of our default organization. The engagement with an artwork is an engagement with oneself that tends to alter us, to reorganize us. This is why artworks offer something like emancipation: they free us from the ways that we happen to find ourselves, organized by habit, by culture, by history, and even by biology. This entanglement is the key to understanding our true nature. [...] This is because the aesthetic is much more widespread and abiding than even art and art-making; it is as basic and as original as the fact of consciousness itself. The aesthetic is a live possibility, an opportunity, and a problem, wherever we find ourselves. We are not fixed, stable, defined, and known; the very act of trying to bring ourselves into focus reorganizes and changes us. We are an aesthetic phenomenon.“ (Noë 2023b: 11)

Games, Hacks und Pranks. Das Theater der Digital Natives

19. April 2024
Die Institution Theater verändert sich im Zuge der Digitalisierung, weil Digital Natives als Künstler*innen und Zuschauer*innen neue Formate einbringen. Dabei ist klar, dass das Theater der Digital Natives in nicht allzu ferner Zeit das einzige existierende Theater sein wird. Wir wollen aber nicht warten, bis die Theaterleitungen mit Digital Natives besetzt sind. Zumal wir davon ausgehen, dass der sich vollziehende Wandel durchaus auch die Strukturen der Theaterbetriebe erfassen könnte und dass das Theater der Digital Natives vielleicht gar keine Intendant*innen mehr haben wird. Aber verlassen wir das Feld der Spekulation und wenden uns der aktuellen künstlerischen Praxis zu. Dort können wir nämlich erste Dimensionen dieser Veränderung bereits beobachten und benennen.

Grenzgänge. Bild(ung) und Begegnung im Netzwerkzeitalter[1]

19. April 2024
Das Projekt Arts Education in Transition beschäftigt sich, wie der Name schon sagt, unter anderem mit Übergängen. Wo es einen Übergang vom Einen zum Anderen gibt, da gibt es auch eine Schwelle oder Grenze, die es zu passieren gilt. Im 21. Jahrhundert muss jeder Punkt eines Netzwerks in topologischer Verbindung gedacht werden. Das Netzwerk beschränkt sich nicht mehr auf eine virtuelle Sphäre, die bewusst betreten und verlassen werden kann, sondern ist ubiquitär (vgl. Steyerl 2015).