Texte zum Thema „Unlearning“

Kritisch werden im Vermittlungskontext ästhetischer Erfahrungsräume. Zwei Beispiele aus der Repräsentationskritik

3. August 2025
Der Diskurs um Kritik in ästhetischen Erfahrungs- und Vermittlungsräumen hat vielgestaltliche Formen und Stränge mit je unterschiedlichen Schwerpunkten auf bereichsspezifische Teilaspekte. Beispielsweise die kritische Pädagogik und Erziehungswissenschaft mit Bezügen zur Kunst (siehe z. B. Klafki 1982, Mollenhauer 1972), die reflexive und emanzipatorische Kulturpädagogik (siehe z. B. Hoffmann 1981), ästhetische Zugriffe auf die Kritische Theorie (siehe z. B. Laner 2018), die Kulturwissenschaften (siehe z. Schade/Wenk 2011) oder die repräsentationskritische Kunstvermittlung (siehe z. B. Mörsch 2017) stellen unter verschiedenen, an manchen Stellen überlagernden, teils einander kontrastierenden oder ergänzenden Prämissen Kritik ins Zentrum. Der Komplex wird dabei an den einen Stellen als Forschungsgegenstand, an anderen Stellen als handlungsleitender Impetus oder als diese beiden Modi beziehend aufeinander behandelt und verwendet. Ein zeitgenössischer Blick auf den schulischen Bildungskontext und die neuen österreichischen Lehrpläne mit der expliziten, überfachlichen Aufforderung darin, kritisches Denken zu vermitteln, lässt die Notwendigkeit für gegenwartsbezogene, symptomatische Positionsbestimmungen aller in Vermittlungssituationen Beteiligter evident werden. Was muss der Vermittlung von kritischem Denken vorausgehen, um diese erfolgreich zur Umsetzung zu bringen, wann beginnt das Kritisch-Sein und wo liegen die Qualitäten ästhetischer Erfahrungsräume dabei? Die folgenden Ausführungen gehen davon aus, dass bestimmte Fähigkeiten in ästhetischen Erfahrungsräumen geschult und verfeinert werden können. Diese meinen unter Rekurs auf Alexander G. Baumgarten beispielsweise scharfsinniges Empfinden, Vorstellungskraft sowie das Vermögen, gedanklich entworfenen und sinnlich wahrgenommenen Eindrücken Ausdruck zu verleihen (vgl. Baumgarten 1988). Im wiederholten Ausüben und Üben ästhetischen Erfahrens werden Prozesse des Lernens initiiert (vgl. ebd.), die unter dem Schirm ästhetischer Bildung auch, so die Leitlinie dieses Textes, das differenzierte Üben von Kritik und, mit Blick auf tradierte hegemoniale Selbstverständnisse, Sensibilität für Renovierungsbestrebungen epistemischer Kräfteverhältnisse vermitteln. Jene ästhetischen Erfahrungsräume, die hierin Behandlung finden, beziehen sich auf Umgebungen, in denen durch die rezeptive wie produktive Auseinandersetzung mit künstlerischen Artefakten und Ausdrucksformen eine Aneignung und Schärfung der eben genannten Fertigkeiten angebahnt werden können.

feeling our way. Queer-feministische Räume des Affektiven und Pädagogiken des Verlernens

6. Mai 2023
RYXPER1126AE affiziert mich, bevor ich von seiner Existenz weiß, durchdringt mich und wird ein Teil von mir; bevor ich den Wasserfall höre, der über die metallene Kante plätschert, eingebettet in Blöcken aus grauem Styropor, die den schummrigen, blaugrünlich beleuchteten Raum durchziehen; bevor ich die vier Bildschirme sehe, die halbtransparenten, von der Decke hängenden Banner und die Metallflasche, die den Duftstoff RYXPER1126AE enthält – bevor ich den musealen Raum betrete, der für die nächsten zwei Tage Ort des Lese-, Performance- und Schreibworkshops „Weird Read Intensive“ ist. Der Duft, so erfahre ich später, ist die molekulare olfaktorische Manifestation der Performance YGRG159: SULK, der Künstler*innen Dorota Gawęda und Eglė Kulbokaitė, Gründerinnen der Young Girl Reading Group (YGRG), welche sie 2018 auf der Athen-Biennale inszenierten.

Die Eule ist gelandet. Die documenta 14 in Athen und Kassel

7. Mai 2021
Die Eule mit umgelegtem Kopf war das Logo der documenta 14. Als Begleiterin von Athene, der Göttin der Weisheit – und Namensgeberin von Griechenlands Hauptstadt –, ist die Eule ein bekanntes Symbol aus der griechischen Mythologie. Über die Jahrhunderte ist ihre symbolische Bedeutung vielschichtiger geworden und wird seit dem Mittelalter auch mit einem negativen Aberglauben assoziiert: die Eule als Symbol für den nahenden Tod. Indirekt hing dieser Schatten auch über den Vorbereitungen der documenta 14, die wir als Teil der Grand Tour 2017 mit Studierenden des Instituts für Kunst & Kunsttheorie der Universität zu Köln besuchten. Als Adam Szymczyk 2013 zum künstlerischen Leiter gewählt wurde, hatte er sich mit einem kühnen Konzept gegen fünf Konkurrent*innen durchgesetzt: Er wollte die documenta, die seit 1955 traditionell in Kassel stattfindet, gleichberechtigt in zwei Städten stattfinden lassen. Noch vor ihrem offiziellen Beginn in Kassel sollte die Schau in dem von Finanz- und Flüchtlingskrise gebeutelten Athen eröffnet werden.