Texte zum Thema „Inklusion“

Erfahrungen wi(e)der Erwarten. Kommentar zum Beitrag von Joana Faria

19. April 2024
Dieser Kommentar verfolgt die These, dass sich Joana Farias Text als Beitrag zum Diskurs um Behinderung und Inklusion lesen lässt. Dies möchte ich in Bezug auf Jan Weissers Diskursanalyse des (Sonder-)Schulwesens im deutschsprachigen Raum von 1950 bis 2000 und seinen Forderungen nach einer weitergehenden Praxis deutlich machen. Weisser zeigt in Das Besondere der Erziehung (2007a) die Entwicklung des Sonder-Schulwesens und der theoretischen Konzeption von Behinderung auf. Das (Sonder-)Schulwesen habe sich in den 1950er- und 1960er-Jahren um eine Passung von Schüler*innen und Schulform bemüht. Es habe eine essentialistische Auffassung von Behinderung vorgeherrscht, welche die Behinderung als eine Schädigung von Individuen denke, diese Schädigungen kategorisiere und demgemäße Schulformen entwickelt habe (vgl. Weisser 2007a: 4ff.). Ab Mitte der 1960er-Jahre, im Zuge eines Auftretens einer neuen Fachgeneration (sowohl in der schulischen Praxis als auch in der Theoriebildung) sei die Sonderpädagogik von der „Rassenhygiene“ gesäubert worden, statt von „Kranken“ und „Geschädigten“ zu sprechen, wurde der Begriff der „behinderten“ Menschen etabliert. Auch seien erstmals diskursmächtig sozioökonomische und soziokulturelle Benachteiligungen von behinderten Menschen in den Blick gerückt worden. Verortet wurde die Behinderung jedoch weiterhin im Individuum (vgl. ebd: 10ff.). Anfang der 1970er sei der „[...] Meinung, dass Schularten bestimmten Menschenarten entsprechen“ (Möckel 1972: 156 zitiert nach Weisser 2007a: 10), eine erste Absage erteilt worden.

Netzwerk als Subjekt der Inklusion. Von der Ausstellung „Co-Workers. Network as Artist“ lernen

6. Mai 2023
Ausstellungen sind komplex. Man kann sie nicht auf ihre Einzelteile reduzieren, etwa auf die gezeigten Exponate oder die teilnehmenden Künstler*innen. Und sie lassen sich genauso wenig auf den Raum reduzieren, in dem sie stattfinden oder auf die Idee, die zu ihrer Realisierung geführt hat. Wie die Kuratorin und Kunsthistorikerin Elena Filipovic schreibt, sind sie auch die Beziehungen zwischen all diesen Elementen, die Dramaturgie um sie herum und der Diskurs, der sie umrahmt (vgl. Filipovic 2013).

Differenzreflektierende Körperarbeit. Gedanken zu einem Fortbildungsworkshops mit Elisabeth Löffler

2. September 2020
Wie kann in pädagogischen Kontexten eine „reflexive Praxis des Sehens“ (Schaffer 2008) gefördert werden?1 Mit dieser Frage sowie mit Überlegungen dazu, wie dominante Wahrnehmungs- und Darstellungsmuster, etwa im Bereich der Kunst- und der Sexualpädagogik, benannt werden, beschäftigten wir uns im Rahmen des Forschungsprojekt Imagining Desires in unterschiedlichen Zusammensetzungen2 und unter verschiedenen Voraussetzungen. In den jeweiligen pädagogischen Settings – wie Bilderworkshops oder Forschungsstudios – ging es einerseits darum, diese Fragen in Zusammenarbeit mit Schüler*innen und Studierenden zu bearbeiten und andererseits auch darum, das eigene Denken und Tun als pädagogisch Tätige in verschiedenen Institutionen unter diesem Fokus zu beleuchten. Mit einer Reihe an Fortbildungsmöglichkeiten für uns als Projektmitarbeitende stellte Imagining Desires den dafür notwendigen Raum zur Verfügung.3 Anhand von Einblicken in einen Workshop mit der Performance-Künstlerin Elisabeth Löffler zu differenzreflektierender4 Körperarbeit möchte ich beispielhaft darstellen, welchen Beitrag die Auseinandersetzung mit künstlerischen Arbeiten bei der Dekonstruktion hegemonialer Wahrnehmungs- und Darstellungsmuster leisten kann.5  

Gestaltungsfragen einer inklusiven Kunstpädagogik

5. Februar 2020
Vor dem Hintergrund der Einsicht, dass die Entwicklung kunstpädagogischer Planungs- und Reflexionsinstrumente ein relevantes Forschungsdesiderat der Kunstpädagogik anzeigt, werden in diesem Beitrag Prinzipien einer inklusiven Kunstpädagogik entwickelt. Sie setzen kunstwissenschaftliche und -didaktische mit inklusionspädagogischen Ausgangspunkten in Beziehung. Das Thema der Potenzialaffinität und der Differenzversiertheit bildet eine verbindende Klammer zwischen ihnen.

Every Things Matter

4. Oktober 2019
Rückt man bei der Auseinandersetzung mit Inklusion in der Kunstpädagogik den Menschen aus dem Fokus und stattdessen die Dinge innerhalb eines Netzwerkes in den Mittelpunkt, so avanciert das Material zum Akteur. Dies verschiebt das Verhältnis des Menschen innerhalb der Strukturen, womit neue Spielräume geschaffen werden, Diskriminierungsstrukturen zu erkennen. Anhand exemplarischer Phänomene aus Popkultur und Kunst sowie einiger Ausstellungen wird eine Perspektivierung vorgenommen, mit der Inklusion nicht mehr vom menschlichen Subjekt her gedacht werden muss, sondern als komplexes Bedingungsgefüge, in dem die materiellen und dinglichen Akteure in den Fokus geraten.